Verloren
Hotelfrühstück dürfte es schon zu spät sein, also könnten wir zu mir gehen und ich könnte noch mal versuchen, dir ein paar Rühreier mit Speck zu machen. Oder wir bleiben einfach noch ein bisschen im Bett und verschieben das mit dem Essen auf später.«
Mein Herz klopft wild, weil in beiden Möglichkeiten nur ein »wir« vorkam und weil mich das unglaublich erleichtert. Vielleicht muss man ja doch nicht immer alles ganz genau planen, denke ich und lächle Matteo strahlend an.
»Verschieben wir es auf später«, sage ich und meine mehr als nur das Essen, als ich die Arme wieder um ihn schlinge und er, offenbar sehr einverstanden mit meiner Wahl, anfängt mich zu küssen.
21
» Zio , bist du da?«
Die Frauenstimme, die plötzlich aus dem Wohnbereich dringt, lässt mich erschrocken aufblicken, aber es ist zu spät, um meinen Finger daran zu hindern, auf den Knopf des Kaffeeautomaten zu drücken. Lautstark fängt die Maschine an, die Bohnen für den Cappuccino zu mahlen, und ich verziehe das Gesicht, weil wer auch immer da gerade gekommen ist, jetzt wissen wird, dass jemand in der Küche ist. Ich ahne sogar, wer es ist – »zio« heißt Onkel, und so viele werden Matteo nicht so nennen –, und eigentlich möchte ich nicht so gerne ausgerechnet von Adriana am frühen Morgen im Bademantel in seiner Küche ertappt werden. Aber es hilft nichts, es ist definitiv zu spät, um zu verschwinden. Deshalb lächle ich freundlich und versuche, ganz entspannt zu wirken, als die dunkelhaarige junge Frau tatsächlich einen Augenblick später in der Tür zur Küche erscheint.
»Oh!«, ruft sie, sichtlich überrascht darüber, dass es nicht Matteo ist, der den Kaffeeautomaten bedient. Zu entsetzen scheint sie das jedoch nicht, im Gegenteil – sie grinst breit, stellt die Tasche ab, die sie dabeihat, und kommt auf mich zu, begrüßt mich herzlich mit Wangenküssen. » Buon giorno , Sophie. Die Leute unten im Büro haben mir aufgemacht, und die Tür hier oben war offen, deshalb bin ich einfach reingegangen – ich hoffe, das war in Ordnung?«
Sie erinnert sich offensichtlich so gut an mich, wie ich mich an sie, aber das ist wahrscheinlich kein Wunder, schließlich hat sie mich ziemlich lange angesehen, als ich für Matteos Malklasse Modell gesessen habe. Ich hätte allerdings nicht damit gerechnet, dass sie mich begrüßt, als wären wir alte Bekannte, und die Tatsache, dass ich nicht angezogen bin, sondern einen viel zu großen Bademantel trage, der sehr eindeutig ihrem Onkel gehört, ignoriert sie einfach.
Sie ist wirklich hübsch, denke ich, als ich sie jetzt noch mal näher betrachte, und mir fällt auf, dass da tatsächlich eine gewisse Familienähnlichkeit ist, auch wenn sie mit ihren dunklen Haaren und den braunen Augen auf den ersten Blick nicht aussieht wie Matteo. Denn ihr unbekümmertes Lächeln hat definitiv viel von ihrem Onkel.
»Kann ich auch einen bekommen?«, fragt sie fröhlich und deutet auf die fertige Tasse Cappuccino vor dem Kaffeeautomaten. Lächelnd reiche ich sie ihr und hole mir eine neue Tasse aus dem Schrank, drücke wieder auf den Knopf. Seit Matteo mir gezeigt hat, wie diese Wundermaschine funktioniert, bin ich richtig süchtig nach dem leckeren Kaffee, den sie brühen kann.
Dass ich mich selbst bedienen muss, scheint Adriana, die lässig am Küchentresen lehnt und in ihrem Kaffee rührt, jetzt allerdings zu beschäftigen. »Ist Elisa nicht da?«
Ich schüttele den Kopf. »Sie hat diese Woche frei.« Was mir persönlich ganz recht ist, denn es hat es für mich einfacher gemacht, hier ein und aus zu gehen. Es hätte mich wirklich gestört, ständig unter der Beobachtung der unglaublich korrekten Haushälterin zu stehen.
»Und wo ist Matteo?«, will Adriana wissen.
»Im Bad«, erkläre ich ihr und versuche, dabei nicht rot zu werden. Herrgott, Sophie, du bist Mitte zwanzig, erinnere ich mich genervt – es muss dir nicht peinlich sein, wenn du morgens im Haus eines Mannes »erwischt« wirst. So scheint das auch Adriana zu sehen, denn ihr Grinsen wird nur noch breiter.
»Dann stimmt es also«, sagt sie und trinkt einen Schluck Kaffee.
Irritiert runzle ich die Stirn. »Was stimmt?«
»Na, dass du jetzt öfter hier bist.«
Nun färben meine Wangen sich doch noch leicht rot, denn dass die Zeit, die ich mit Matteo verbringe, bei irgendjemandem außer uns beiden Thema sein könnte, ist mir neu und nicht gerade angenehm.
»Wer behauptet das denn?«
Adriana lacht. »Wenn mein Onkel mehr als
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