Verlorene Eier
Schmuck. Eine Handtasche. (Oh mein Gott.)
Das wird kein Sonntagsspaziergang. Und was ist mit meiner Stimme? Ich mag nicht gerade den tiefsten Bass aller Zeiten haben, aber ich kann schließlich auch nicht durch die Gegend laufen und wie ein rostiges Türschloss klingen.
»Mein Ehemann und ich.« Mein Versuch, wie eine Frau zu klingen, hört sich seltsamerweise so an, als spreche die Königin von England. Aber vielleicht ist das hierzulande automatisch so.
Mittlerweile haben mich die jungen Rinder entdeckt und sich, angetrieben von ihrer angeborenen Neugier, vor dem Zaun versammelt, der das Feld von meinem Garten trennt. Schwer atmend stehen sie im Halbkreis da und mustern mich aus ihren riesigen Augen mit den langen Wimpern.
Ich versuche es noch einmal, diesmal mit Margaret Thatchers »The Lady is not for Turning«-Rede beim Parteitag 1980. Mein vierbeiniges Publikum zeigt sich nicht im Mindesten beeindruckt, wendet sich jedoch auch nicht angewidert ab.
Sie sind daran gewöhnt, dass ich mit ihnen rede. Normalerweise lese ich ihnen Teile meines Romans vor, an dem ich gerade arbeite – wenn die Sätze laut ausgesprochen brauchbar klingen, stehen die Chancen gut, dass sie sich auch flüssig lesen lassen. So die Theorie. Ich stimme I’m a boy von The Who an. Die erste Strophe lassen die Rinder noch über sich ergehen – über das Mädchen namens Jean Marie, das zweite, das Felicity hieß, und das dritte, das sich Sally Joy nannte und
the other was me, and I am a boy
Doch als ich zu Keith Moons Drum-Part vor dem Refrain komme, suchen sie wie auf ein Stichwort das Weite.
6
Wenn ich mir meiner Sache nicht sicher bin, kommt das bewährte Kipling-Rezept zur Anwendung: Gedanken schweifen lassen, abwarten und loslegen . Als zusätzliche Hilfe stelle ich im Geiste eine Liste zusammen.
1.)Jemanden aus dem Theatermilieu finden, der sich mit Travestie auskennt und bereit ist, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
2.) Tootsie auf Video besorgen und eingehend studieren. Was für eine Scheißidee. Der Typ, den Dustin Hoffman im Film dargestellt hat, war von Beruf Schauspieler.
3.)Eine Frau um Hilfe bitten. Nur wen? Caerwen Griffiths? Wohl kaum.
4.)Könnte es in der öffentlichen Leihbibliothek von Oswestry eine Abteilung für Transgender-Literatur geben?
5.)Ha, ich hab’s! Keith, die alte Transe.
Vor einer Ewigkeit, als meine sogenannte Karriere in der Fleet Street ihren Anfang nahm, schleppte mich ein Kollege, ein ziemlich exzentrischer Klatschkolumnist, zu einer dieser schrägen Veranstaltungen mit, die damals unglaublich angesagt waren – einer Party mit Schwulen, Lesben und Typen, die wie Frauen angezogen waren. Ich stand also an der Bar und fragte mich, was zum Teufel ich hier eigentlich zu suchen hatte, als mein Blick auf den Kerl mit der wasserstoffperoxidblonden Perücke auf dem Barhocker neben mir fiel, den ich auf Anhieb als ehemaligen Klassenkameraden wiedererkannte.
»Oh hallo, Keith«, sagte ich.
Keith sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen, was in gewisser Weise ja stimmte. »Gütiger Gott«, stieß er hervor.
»Bill Greefe. King-William-Knabenschule. Darf ich dich auf einen Drink einladen?«
»Wie hast du mich erkannt?« Keith sah … bestürzt aus. Nein. Mehr noch. Er war fassungslos.
»Ich würde dich unter Tausenden wiedererkennen.« Was stimmte. Keith war ein ernst, fast traurig dreinsehender Kerl mit käsigem Teint und feurigen dunkelbraunen Augen. Interessanterweise war er im Glitzerkleid und Netzstrümpfen keinen Deut attraktiver als bei unserer letzten Begegnung, als ich ihn in einem grauen Blazer mit kastanienbraunen Paspeln gesehen hatte. »Und wie läuft’s so?«, erkundigte ich mich leichthin. Ihm stand die Verlegenheit ins Gesicht geschrieben. Ich hingegen freute mich einfach nur, dass ich jemanden gefunden hatte, den ich kannte.
»Das ist das erste Mal für mich«, zischte er. Ich hatte Mühe, ihn über die laute Musik hinweg zu verstehen.
»Wie?«
»Das ist das erste Mal, dass ich so … na ja, du weißt schon … dass ich so unterwegs bin.«
»Oh.«
»Im Kleid.«
»Verstehe.« Nein, tat ich nicht.
»Und wieso bist du hier?«
»Ich wurde gefragt, ob ich Lust hätte mitzukommen.« Ich nannte ihm den Namen meines Kollegen und der Zeitung, für die wir beide arbeiteten. »Er schreibt Klatschkolumnen. Schätzungsweise kennt er ein paar Leute aus dem Showgeschäft.«
Einen Moment lang fürchtete ich, Keith würde gleich in Tränen ausbrechen. »Alles klar mit
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