Verlorene Eier
Python’s Flying Circus zitiert, hat er das Herz am rechten Fleck, wofür ich ihm – und natürlich für die eine Million Dollar – großen Respekt zolle.
Da ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, seit er mir von dem grandiosen Deal erzählt hat, entscheide ich mich der Einfachheit halber ebenfalls für die Austern und die Seezunge (die mit Anchovisfilets und Limonenbutter serviert wird). Als unser Kellner verschwindet, sehe ich Gerald gespannt an.
»Tja. Es ist ein Wahnsinnsangebot. Eine Million Dollar Vorschuss für die nächsten vier Bücher. Ein Drittel bei Vertragsabschluss, das zweite in vier gleichen Teilen bei Abgabe der Manuskripte und das letzte Drittel in vier gleichen Teilen bei Veröffentlichung. Na, wie klingt das?«
Er verzieht das Gesicht zu einem Lächeln, das den Weg nicht ganz bis zu seinen funkelnden Augen findet.
»Ich will ja nicht undankbar oder so etwas erscheinen, Gerald. Der Deal ist wirklich sensationell. Aber woher diese plötzliche Vorschussexplosion?« Bis jetzt haben die Amerikaner höchstens fünf Riesen für meine Manuskripte hingelegt.
Geralds Miene wird ernst. »Du, Bill, wirst die neue Daphne Ottershaw.« Daphne Ottershaw ist die Grande Dame des historischen Liebesromans. »Die Gute befindet sich im ultimativen Sinkflug. Ich meine, die Frau ist immerhin über achtzig. Senile Demenz, heißt es, und der Konzern, der sie – und damit auch uns – unter Vertrag hat, ist sicher, in dir eine würdige Nachfolgerin gefunden zu haben. Der Staffelstab wird der nächsten Generation übergeben. Durch die Kombination aus deinem Talent, meiner harten Arbeit und einer anständigen Portion Glück haben wir den großen Coup gelandet.«
Wieso löst diese Eröffnung nicht nur unbändige Freude, sondern auch tiefe Besorgnis in mir aus? »Und das ist alles? Kein Haken? Nur eben noch mehr von dem, was ich sonst auch schreibe?«
»Die Amerikaner sind restlos begeistert von dir, Bill. Der historische Rahmen. Die Art und Weise, wie hübsch du deine Rammeleien verpackst, ohne dabei explizit die Körperteile zu nennen, die daran beteiligt sind.«
»Und es stört sie nicht, dass in all meinen Büchern im Grunde dasselbe steht?«
»Genau das finden sie ja so toll.« Ich lache, aber Geralds Miene bleibt ernst. »Nichts macht einem Verleger mehr Angst als ein Autor, der sich auf ungewohntes Terrain begibt. Mit dir, Bill, wissen sie, was sie kriegen. Frau trifft Mann, verliert ihn unterwegs und kriegt ihn am Ende doch wieder. Eine nette Geschichte, so alt wie die Menschheit und so beruhigend wie ein Schlaflied. Oh, sieh nur, da kommt unsere Brause.«
Der Kellner entkorkt die Champagnerflasche und schenkt ein, so dass wir auf unsere bemerkenswerten Fähigkeiten anstoßen können.
»Gut gemacht, Gerald.«
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.«
Wir lassen einen kleinen Schluck von dem kühlen Nass unsere Kehlen hinuntergleiten. Ich schüttle den Kopf. Ist das Leben nicht echter Wahnsinn? Heute Morgen habe ich noch mit einem angeschlagenen Becher Instantkaffee in der Hand am Fenster gestanden und über die Torfmoorfelder hinweg zu den Hügeln in der Ferne geblickt. Und jetzt schlürfe ich in einem der angesagtesten Restaurants Londons Veuve Clicquot und feiere einen Riesendeal. Um uns herum hat sich allerlei Volk aus der Unterhaltungs- und Medienbranche beim Mittagessen eingefunden. Allerdings bin ich schon so lange aus der Szene draußen, dass ich keinen von ihnen erkenne. Gerald hat mich auf den Chefredakteur des Independent (ein Typ, den ich noch nie im Leben gesehen habe), den Programmdirektor von BBC 2 (dito) und einen Kerl namens Abi Titmuss hingewiesen, einen hochbegabten Entertainer, dessen Glanzzeiten offenbar völlig an mir vorbeigegangen sind. Das erste vertraute Gesicht ist das eines Ex-James-Bond, der an seinen Tisch geführt wird, während sich sämtliche Gäste gegenseitig anstoßen und die Hälse recken. Trotzdem genieße ich dieses Bad im Teich des Erfolgs und des Ruhms. Für einen Tag ist der Millionenautor unter seinesgleichen, inmitten von Glitzer und Glamour. Ehrlich gesagt ist dieser Ausflug in die Welt des Erfolgs und Ruhms so herrlich, dass ich glatt vergesse, wie deplatziert ich in meinem zu engen Anzug mit meinen zu langen Haaren und meinem Zottelbart wirken muss. Wäre ich in den Zwanzigern, würde dieses Outfit möglicherweise noch meine Zugehörigkeit zu einer angesagten Band signalisieren, doch nun sagt es nur eines – Loser auf der ganzen Linie. Was
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