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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihm sechzig Franken. Welcher Student konnte dem Glück widerstehen, Talma in seinen großen Rollen zu sehen? Das Theater, die erste Liebe jedes Dichtergeistes, bezauberte Lucien. Die Schauspieler und Schauspielerinnen schienen ihm verehrungswürdige Personen; er glaubte nicht an die Möglichkeit, sie anderswo als auf der Bühne, sie für traulichen Verkehr kennen lernen zu können. Diese Wesen, die ihm solche Genüsse verschafften, waren für ihn wunderbare Menschen, die von den Zeitungen wie die großen Staatsangelegenheiten behandelt wurden. Dramatischer Dichter sein, aufgeführt werden, was war das für ein entzückender Traum! Wenige Kühne, wie Casimir Delavigne, konnten ihn verwirklichen! Diese hoffnungsvollen Gedanken, diese Augenblicke des Glaubens an sich wurden von Anfällen der Verzweiflung abgelöst, und so blieb Lucien, trotz dem dumpfen Grollen mancher heißen Wünsche, auf den frommen Bahnen der Arbeit und der Sparsamkeit. Aus übergroßer Vorsicht verbot er es sich, ins Palais Royal, diese Stätte des Verderbens, zu gehen, wo er an einem einzigen Tage bei Véry fünfzig Franken und fast fünfhundert Franken für Kleidungsstücke ausgegeben hatte. Daher gestattete er sich, wenn er der Versuchung nachgab, Fleury, Talma, die beiden Baptiste oder Michot zu sehen, nur einen Platz auf der dunklen Galerie, für den man sich von halb sechs Uhr an anstellen mußte, wenn man nicht, wie die Nachzügler, an der Kasse einen Platz für zehn Sous kaufen wollte. Oft, wenn ein Student zwei Stunden gewartet hatte, wurden in das Ohr des armen Enttäuschten die Worte gerufen: »Es gibt keine Billette mehr.« Nach der Aufführung ging Lucien mit gesenkten Augen nach Hause und ließ seine Blicke nicht auf der Straße, auf der es jetzt von lebendigen Verführungen wimmelte, herumschweifen. Vielleicht stieß ihm das eine oder andere der überaus einfachen Abenteuer zu, die doch in der schüchternen Phantasie der jungen Leute eine ungeheure Rolle spielen. Als Lucien eines Tages über den niedrigen Stand seiner Gelder erschreckt war und seine Taler zählte, drängte sich ihm die Notwendigkeit auf, sich nach einem Verleger oder nach irgendwelcher bezahlten Lohnarbeit umzusehen. Der junge Journalist, den er im stillen zu seinem Freund ernannt hatte, kam nicht mehr zu Flicoteaux. Lucien wartete auf einen Zufall, der sich nicht einstellen wollte. In Paris gibt es nur für die Leute, die einen überaus großen Verkehr haben, Zufälle; die Zahl der Beziehungen vergrößert für sie die Aussichten auf Erfolg jeder Art, und auch der Zufall hält es mit den großen Bataillonen. Da Lucien noch die Vorsicht der Provinzmenschen besaß, wollte er nicht den Moment abwarten, wo er nur noch ein paar Taler besaß: er beschloß, einen Angriff auf die Verleger zu unternehmen. An einem ziemlich kühlen Septembermorgen durchschritt er mit seinen beiden Manuskripten unter dem Arm die Rue de la Harpe. Er ging bis zum Quai des Augustins und schlenderte langsam und zögernd am Ufer hin, betrachtete abwechselnd das Wasser der Seine und die Läden der Buchhändler, als wenn ein guter Geist ihm riete, sich lieber ins Wasser als in die Literatur zu werfen. Nach peinlichem Zögern, nach einer eingehenden Prüfung der mehr oder weniger angenehmen, heitern oder mürrischen Gesichter, die er durch die Scheiben oder an den Ladentüren sah, faßte er ein Haus ins Auge, vor dem eilige Ladendiener Bücher einpackten. Man war beim Expedieren, die Wände waren mit Ankündigungen bedeckt.
Zu verkaufen:
    Der Einsiedler, von Vicomte d'Arlincourt, dritte Auflage. – Léonidas, von Victor Ducange, fünf Bände in Quart, Luxusausgabe, Preis zwölf Franken. – Moralische Schlußfolgerungen, von Kératry.
    »Die sind glücklich!« rief Lucien.
    Dieses Plakat, eine neue und originelle Schöpfung des berühmten Ladvocat, prangte damals zum erstenmal an den Wänden. Bald hatten die Nachahmer dieser Art Ankündigung, die eine der Quellen der öffentlichen Einnahmen wurde, Paris mit Plakaten in allen Farben überklebt. Lucien, dessen Herz schwer und bedrückt war, der noch vor kurzem in Angoulême so groß gewesen und jetzt in Paris so klein war, drückte sich endlich an den Häusern hin und nahm all seinen Mut zusammen, um in diesen Laden einzutreten, der von Gehilfen, Kunden, Buchhändlern – »und vielleicht Autoren!« dachte Lucien – wimmelte.
    »Ich möchte Herrn Vidal oder Herrn Porchon sprechen«, sagte er zu einem Angestellten.
    Er hatte auf dem Schild in großen

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