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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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unbedingt etwas sagen.«
    »Aber, werter Herr, Walter Scott hat doch auch Verse gemacht...«
    »Da haben Sie recht«, sagte Doguereau, der schon wieder besänftigt war, überdies auch merkte, wie schlecht es dem jungen Mann ging. Er behielt das Manuskript. »Wo wohnen Sie? Ich werde Sie besuchen.«
    Lucien gab seine Adresse an, ohne bei dem alten Herrn den geringsten Hintergedanken zu vermuten. Er merkte nicht, daß es sich um einen Buchhändler der alten Schule handelte, um einen Mann aus der Zeit, wo die Buchhändler den Wunsch hegten, Voltaire und Montesquieu in einer Dachkammer einschließen zu können und sie fast Hungers sterben zu lassen.
    »Mein Rückweg führt mich gerade durchs Quartier latin«, sagte der alte Verleger zu ihm, nachdem er die Adresse gelesen hatte.
    »Ein wackerer Herr«, dachte Lucien, als er sich von dem Buchhändler verabschiedet hatte. »Ich habe also einen Freund der Jugend gefunden, einen Kenner, der etwas versieht. Ich lasse es mir nicht nehmen, ich habe immer zu David gesagt, das Talent setzt sich in Paris leicht durch.«
    Lucien ging glücklich und heiter nach Hause. Er träumte von Ruhm. Er dachte nicht mehr an die unheimlichen Worte, die ihm in dem Kontor von Bidal & Porchon ins Ohr gedrungen waren, er sah sich schon im Besitz von wenigstens zwölfhundert Franken. Für zwölfhundert Franken konnte er ein Jahr in Paris leben. Ein Jahr, in dem er neue Werke schreiben konnte. Wie viele Pläne baute er auf diese Hoffnung! Welchen süßen Träumen gab er sich hin, als er ein Leben vor sich sah, das auf die Arbeit gegründet war. Er gründete sich ein Heim, das er sich einrichtete, und es hätte wenig gefehlt, daß er nicht jetzt schon einige Anschaffungen machte. Er zügelte seine Ungeduld nur durch unausgesetztes Lesen im Lesekabinett von Blosse. Zwei Tage später kam der alte Doguereau, der von dem Stil, mit dem Lucien in seinem Erstlingswerk verschwenderisch umgegangen war, überrascht, von der Übertriebenheit der Charaktere, die im Geiste der Zeit lag, in der die Handlung spielte, entzückt, und von der wilden Phantasie, mit der ein junger Autor immer seinen ersten Plan entwirft – er war nicht verwöhnt, der Vater Doguereau –, frappiert war, er kam also in das Hotel, in dem sein Walter Scott
in spe
wohnte. Er war entschlossen, den ›Bogenschützen Karls IX.‹ für tausend Franken ein für allemal zu erwerben und Lucien durch einen Vertrag für künftige Werke an sich zu binden. Als der alte Fuchs das Hotel sah, überlegte er sich die Sache.
    »Ein junger Mann, der hier wohnt, macht nur bescheidene Ansprüche, er liebt das Studium und die Arbeit, ich kann ihm nur achthundert Franken geben.«
    Die Wirtin, die er nach Herrn Lucien von Rubempré fragte, antwortete ihm: »Im vierten Stock.«
    Der Buchhändler streckte die Nase in die Höhe und nahm über dem vierten Stock nur noch den Himmel wahr.
    »Der junge Herr«, dachte er sich, »ist ein hübscher Junge, er ist sogar sehr schön; wenn er zuviel Geld verdient, wird er liederlich und arbeitet nicht mehr. In unser beider Interesse werde ich ihm sechshundert Franken anbieten; aber in barem Geld, keine Wechsel.«
    Er stieg die Treppe hinauf und klopfte an Luciens Tür. Lucien öffnete. Die Kammer war zum Verzweifeln kahl. Auf dem Tisch sah er eine Schale Milch und ein kleines Zweisousbrot. Diese Armut des Genies fiel dem wackern Doguereau auf.
    »Möge er«, dachte er bei sich, »diese einfachen Sitten, diese frugalen Gewohnheiten, diese bescheidenen Bedürfnisse behalten.« – »Es freut mich. Sie zu sehen«, sagte er zu Lucien. »Sieh, sieh! ganz wie Jean Jacques, mit dem Sie mehr als eine Ähnlichkeit haben. In solchen Räumen brennt das Feuer des Genies, da werden die guten Bücher geschrieben. So sollten die Herren Schriftsteller leben, anstatt in den Kaffeehäusern und den Restaurants zu schlemmen, ihre Zeit, ihr Talent und unser Geld zu vergeuden.« Er setzte sich. »Junger Herr, Ihr Roman ist nicht übel. Ich war Professor der Rhetorik, ich kenne die französische Geschichte, es sind famose Sachen darin. Kurz, Sie haben eine Zukunft.«
    »Ach, lieber Herr...«
    »Ja, ja, ich sage es Ihnen ja, wir können das Geschäft zusammen machen, ich kaufe Ihnen den Roman ab...«
    Luciens Herz war von Heller Freude erfüllt, er bebte vor Vergnügen, er sollte in die literarische Welt eintreten, sollte endlich gedruckt werden.
    »Ich kaufe ihn Ihnen für vierhundert Franken ab«, sagte Doguereau in honigsüßem Tone. Dabei blickte

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