Verlorene Illusionen (German Edition)
richtig zu beleuchten.«
»Herr Vidal!« rief ein Gehilfe.
Vidal schlüpfte hinaus.
»Ihr Buch kann meinetwegen ein Meisterwerk sein,« erwiderte Porchon mit einer ziemlich unhöflichen Handbewegung, »aber wir machen unser Geschäft nur mit gedruckten Büchern. Sie müssen zu solchen gehen, die Manuskripte kaufen: Vater Doguereau, Rue du Coq, beim Louvre, ist zum Beispiel einer von denen, die in Romanen machen. Wenn Sie mit ihm fertig sind, gehen Sie zu Pollet, das ist ein Konkurrent von Doguereau.« »Ich habe auch noch einen Band Gedichte...«
»Herr Porchon!« rief man.
»Gedichte!« rief Porchon zornig. »Wofür halten Sie mich?« Er lachte ihm ins Gesicht und verschwand im Hintergrund seines Ladens.
Lucien wurde, als er über den Pont Neuf ging, von tausend Gedanken bestürmt. Was er von dem Rotwelsch der kaufmännischen Sprache verstanden hatte, sagte ihm, daß für diese Buchhändler die Bücher dasselbe wären, was baumwollene Mützen für Mützenhändler sind, eine Ware, die man teuer verkauft und billig einkauft.
»Ich habe mich an die falsche Adresse gewandt«, sagte er sich, aber er war doch niedergeschlagen über das brutale und materielle Aussehen, das die Literatur bekommen hatte.
In der Rue du Coq hielt er vor einem bescheidenen Laden, an dem er oft vorbeigegangen war. Auf dem Schild waren in gelben Lettern auf grünem Grund die Worte zu lesen: »Doguereau, Buchhändler«. Er erinnerte sich, diese Worte auf dem Titelblatt verschiedener Romane gefunden zu haben, die er im Lesezimmer von Blosse gelesen hatte. Er trat nicht ohne das innere Zaudern ein, das alle Phantasiemenschen empfinden, wenn sie die Gewißheit haben, vor einem Kampfe zu stehen. In dem Laden traf er einen absonderlichen alten Herrn, eins der Buchhändleroriginale aus der Kaiserzeit. Doguereau trug einen schwarzen Rock mit langen viereckigen Schößen, während es damals modern war, Fräcke mit spitzen Schößen zu tragen. Er hatte eine buntkarierte Weste aus gewöhnlichem Stoff, von der aus der Uhrtasche eine Stahlkette und ein kupferner Schlüssel auf seine bauschige schwarze Kniehose herunterhingen. Die Uhr schien so dick wie eine Zwiebel zu sein. Diese Tracht wurde von dicken, eisengrauen Wollstrümpfen und von Schuhen mit silbernen Schnallen vervollständigt. Der alte Mann trug den Kopf mit seinen grauen Haaren, die in recht poetischer Unordnung waren, unbedeckt. Vater Doguereau, wie ihn Porchon genannt hatte, erinnerte mit dem Rock, der Kniehose und den Schuhen an einen Professor, und mit der Weste, der Uhr und den Strümpfen an einen Kaufmann. Seine Physiognomie strafte diese absonderliche Verbrüderung nicht Lügen: er hatte das pedantische, doktrinäre, vergrübelte Gesicht eines Gelehrten und die lebhaften Augen, den mißtrauischen Mund, die unbestimmte Unruhe des Buchhändlers.
»Herr Doguereau?« fragte Lucien. »So heiße ich.«
»Ich habe einen Roman geschrieben«, sagte Lucien.
»Sie sind sehr jung«, antwortete der Buchhändler.
»Aber, werter Herr, mein Alter hat nichts mit der Sache zu tun.«
»Da haben Sie recht!« sagte der alte Buchhändler und langte nach dem Manuskript. »Ei der Teufel! ›Der Bogenschütze Karls IX.‹, ein feiner Titel! Also, junger Herr, sagen Sie mir in zwei Worten, um was es sich handelt.«
»Es ist ein historisches Werk nach Art Walter Scotts. Der Kampf zwischen den Protestanten und Katholiken wird darin als Kampf zweier Regierungsformen dargestellt, in dem der Thron ernsthaft bedroht war.«
»Na ja, junger Herr, das ist schon 'ne Sache. Schön! Ich werde Ihr Werk lesen, ich verspreche es Ihnen. Ein Roman in der Art der Madame Radcliffe wäre mir lieber gewesen, aber wenn Sie geschickt arbeiten, wenn Sie ein bißchen Stil, Erfindung, Ideen, die Kunst zu spannen haben, bin ich Ihnen gern zu Diensten. Woran fehlts uns?... an guten Manuskripten!«
»Wann kann ich wiederkommen?«
»Ich fahre heute abend aufs Land, werde übermorgen zurück sein, habe bis dahin Ihr Werk gelesen, und wenn es mir gefällt, können wir noch am selben Tag verhandeln.«
Als Lucien ihn so zugänglich fand, hatte er den üblen Einfall, das Manuskript der ›Margueriten‹ hervorzuziehen.
»Herr Doguereau, ich habe hier auch eine Sammlung Gedichte...«
»Oh! Sie sind Lyriker! Ich will von Ihrem Roman nichts mehr wissen«, sagte der alte Herr und streckte ihm das Manuskript hin. »Die Reimschmiede verunglücken, wenn sie Prosa schreiben wollen. In der Prosa gibt es keine Flickwörter, da muß man
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