Verlorene Illusionen (German Edition)
Buchstaben gelesen: »Vidal & Porchon, Kommissionsbuchhändler für Frankreich und das Ausland«.
»Die Herren sind beide beschäftigt« antwortete ihm ein Gehilfe.
»Dann warte ich.«
Man ließ den Dichter im Laden, und er stöberte an den Bücherballen herum; zwei Stunden lang beschäftigte er sich damit, die Titel anzusehen, in den Büchern zu blättern und hier und da eine Seite zu lesen. Er lehnte sich schließlich an das Fenster eines Verschlags, das mit kleinen grünen Vorhängen verhüllt war und hinter dem sich seiner Vermutung nach Vidal oder Porchon aufhielten. Da hörte er das folgende Gespräch:
»Wollen Sie mir fünfhundert Exemplare abnehmen? Ich lasse sie Ihnen zu fünf Franken und gebe Ihnen 13/12.«
»Auf welchen Preis stellen sie sich denn?«
»Auf sechzehn Sous wenigstens.«
»Vier Franken vier Sous!« sagte Vidal oder Porchon zu dem, der seine Bücher anbot.
»Schön!« antwortete der Verkäufer. »In Rechnung?« fragte der Käufer.
»Alter Schelm! und in anderthalb Jahren möchten Sie regulieren und mir Wechsel auf ein Jahr geben?«
»Nein, sofortige Regulierung«, antwortete Vidal oder Porchon.
»Mit welchem Ziel? Dreiviertel Jahr?« fragte der Buchhändler oder der Autor, der ohne Zweifel ein Buch anbot.
»Nein, mein Lieber, auf ein Jahr!« antwortete der eine der beiden Kommissionsbuchhändler.
Es trat einen Augenblick Schweigen ein.
»Sie schneiden mir den Hals ab!« rief der Unbekannte.
»Aber werden wir in einem Jahr fünfhundert Exemplare vom Léonidas untergebracht haben?« erwiderte der Kommissionär dem Verleger Victor Ducanges.
»Wenn die Bücher so gingen, wie es die Verleger möchten, wären wir Millionäre, lieber Freund, aber sie gehen, wie das Publikum will. Man gibt die Romane Walter Scotts für achtzehn Sous den Band, bei Abnahme von drei Bänden das Stück für zwölf Sous, und Sie wollen, daß ich Ihre Schmöker teurer verkaufe? Wenn Sie wollen, daß ich mich für Ihre Romane interessiere, müssen Sie mir besondere Vorteile gewähren. – Vidal!«
Ein starker Mann kam hinter der Kasse hervor und ging mit der Feder hinter dem Ohr in den Verschlag.
»Wieviel Ducange hast du auf deiner letzten Reise angebracht?« fragte ihn Porchon.
»Ich habe zweihundert ›Greise von Calais‹ verklopft; aber ich habe dafür zwei andere Werke halb verschenken müssen, auf die man uns keinen so großen Rabatt gegeben hatte und die nette ›Krebse‹ geworden sind.«
Später hat Lucien erfahren, daß die Buchhändler die Bezeichnung ›Krebse‹ den Büchern geben, die in der tiefen Einsamkeit ihrer Lagerräume auf den Regalen einstauben.
»Du weißt übrigens,« fing Vidal wieder an, »daß Picard uns Romane geben will. Man verspricht uns zwanzig Prozent Rabatt auf den Buchhändlerpreis, um den Erfolg zu sichern.«
»Also gut, auf ein Jahr«, fing nun der Verleger in jämmerlichem Ton wieder an. Die letzte vertrauliche Mitteilung, die Vidal Porchon gemacht hatte, hatte ihn niedergeschmettert.
»Abgemacht?« fragte Porchon kurz und bündig den Unbekannten.
»Ja.«
Der Verleger ging. Lucien hörte, wie Porchon zu Vidal sagte: »Wir haben dreihundert Bestellungen darauf, wir werden die Regulierung hinausziehen, wir verkaufen den Léonidas für hundert Sous das Exemplar mit Sechsmonatsregulierung und...«
»Und«, sagte Vidal, »dann haben wir fünfzehnhundert Franken gewonnen.«
»Oh, ich habe ihm angesehen, daß er in Verlegenheit ist.«
»Er ruiniert sich! Er zahlt Ducange für zweitausend Exemplare viertausend Franken.«
Lucien öffnete die kleine Tür zu diesem Verschlag und stellte Vidal.
»Meine Herren,« sagte er zu den beiden Kompagnons, »ich habe die Ehre, Sie zu begrüßen.«
Die Buchhändler dankten kaum.
»Ich bin der Verfasser eines Romans aus der französischen Geschichte, nach Art Walter Scotts, der Titel ist: ›Der Bogenschütze Karls IX.‹ Ich möchte Ihnen vorschlagen, ihn zu erwerben.«
Porchon warf einen ausdruckslosen Blick auf Lucien und legte die Feder auf das Pult. Vidal sah unsern Dichter brutal an und antwortete ihm:
»Werter Herr, wir sind keine Verleger, wir sind Kommissionäre. Wenn wir Bücher auf eigene Rechnung herausgeben, machen wir solche Geschäfte nur mit berühmten Namen. Wir kaufen übrigens nur ernsthafte Bücher, Geschichtswerke, Kompendien.« »Aber mein Buch ist sehr ernsthaft; es handelt sich darum, den Kampf der Katholiken, die zum Absolutismus hielten, mit den Protestanten, die die Republik einführen wollten,
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