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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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durcheinandergebaut war, schien sich unter dem Gewicht eines verwitterten Daches zu biegen, das über und über mit den Hohlziegeln bedeckt war, aus denen alle Dächer im südlichen Frankreich bestehen. An dem morschen Fensterkreuz befanden sich die fest verschließbaren riesigen Läden, wie sie das heiße Klima erfordert. Es wäre nicht leicht gewesen, in ganz Angoulême ein so rissiges Haus wie dieses zu finden, das nur noch durch die Kraft des Mörtels zusammenhielt. Man stelle sich die Werkstatt vor, die vorn und hinten erhellt, in der Mitte dunkel war, die Mauern mit Plakaten bedeckt und unten von dem Vorbeistreifen der Arbeiter, die sich dort seit dreißig Jahren bewegt hatten, schwarz geworden; ihre Leinen und Stricke an der Decke, ihre Papierstöße, die alten Pressen, die Haufen Steine zum Beschweren des nassen Papiers, die Reihen Setzkästen und am Ende die beiden Käfige, wo sich der Meister und der Faktor, jeder auf seiner Seite, aufhielten: dann hat man ein Bild von der Existenz der beiden Freunde.
    Im Jahre 1821 in den ersten Maitagen befanden sich David und Lucien in dem Augenblick, wo gegen zwei Uhr ihre vier oder fünf Arbeiter die Werkstatt verließen, um essen zu gehen, in der Nähe des Hoffensters. Als der Meister sah, wie sein Lehrling die Ladentür, die zur Straße ging, hinter sich geschlossen hatte, führte er Lucien in den Hof, wie wenn der Geruch der Papiere, der Farbenbehälter, der Pressen und des alten Holzes ihm unerträglich geworden wäre. Die beiden setzten sich unter eine Laube, von wo sie jeden sehen konnten, der in die Werkstatt kam. Die Sonnenstrahlen, die auf dem Weinlaub des Spaliers spielten, umschmeichelten die beiden Dichter und hüllten sie in ihr Licht wie in einen Glorienschein. Der Gegensatz der beiden jungen Leute, die einander gegenübersaßen, trat nach Charakter und Aussehen mit solcher Entschiedenheit hervor, daß ein Maler, der sie so gesehen, gleich nach seinem Pinsel gegriffen hätte. David hatte Formen, wie sie die Natur den Menschen mit auf den Weg gibt, die zu großen offenen oder geheimen Kämpfen bestimmt sind. Über seiner breiten Brust saßen starke Schultern, die ebenmäßig zu der Fülle seines ganzen Körpers paßten. Sein Gesicht, gebräunt, gesund, voll, über einem starken Hals, umgeben von einer Flut schwarzer Haare, glich beim ersten Anblick dem der Mönche, die Boileau besingt; aber bei näherer Prüfung entdeckte man in den Falten der aufgeworfenen Lippen, im Grübchen des Kinns, im Schnitt einer breiten Nase, deren eine Hälfte wie schiefgedrückt war, und vor allem in den Augen das unausgesetzte Feuer einer ausschließlichen Leidenschaft, die Schärfe des Denkers, die glühende Melancholie eines Geistes, der die ganze Weite und alle Tiefen des Horizonts umfaßte und durchdrang und der selbst der idealsten Genüsse leicht müde wurde, weil er die Klarheit der Analyse mit hineinnahm. Man ahnte in diesem Gesicht das Aufblitzen des Genies, aber man sah auch die Asche um den Vulkan; die Hoffnung erlosch in diesem Antlitz in einer tiefen Empfindung der sozialen Nichtigkeit, in der die niedrige Abstammung und das mangelnde Vermögen so viele Geister höherer Art festhalten. Neben diesem armen Buchdrucker, dem sein der Intelligenz doch so benachbarter Beruf widerstand, neben diesem Silen, der so schwer auf sich selbst ruhte, der in langen Zügen aus dem Becher der Wissenschaft und der Dichtung schlürfte und sich daran berauschte, um das Elend des Provinzlebens zu vergessen, neben diesem Silen saß Lucien in der anmutigen Haltung, wie sie die Bildhauer für den indischen Bacchus gefunden haben. Sein Gesicht besaß die Linienfeinheit der antiken Schönheit: griechische Stirn und Nase, die weiße Farbe und den Schmelz eines Weibes, Augen, deren tiefe Bläue schwarz wirkte, Augen voller Liebesschmelz, deren Weiß so glänzend war wie bei einem Kinde. Über diesen schönen Augen wölbten sich Brauen, die wie mit einem feinen chinesischen Pinsel gezeichnet waren, und lange kastanienbraune Wimpern beschatteten sie. Die Wangen erglänzten von seidigem Flaum, dessen Farbe mit dem Blond der natürlich gelockten Haare übereinstimmte. Seine weißen Schläfen waren goldig überhaucht. Ein unvergleichlicher Adel prägte sich in seinem kurzen, leicht aufwärts gebogenen Kinn aus. Das Lächeln der gefallenen Engel schwebte auf seinen Korallenlippen, deren Röte durch das Weiß der Zähne noch gehoben wurde. Er hatte die Hände eines Menschen von vornehmer Geburt,

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