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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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elegante Hände, denen die Männer auf den Wink gehorchen mußten und die die Frauen zu küssen lieben. Lucien war schlank und von mittlerer Figur; wenn man seine Füße sah, konnte man versucht sein, ihn für ein verkleidetes junges Mädchen zu halten, um so mehr, als er, wie die meisten durchtriebenen, um nicht zu sagen verschlagenen Männer, Hüften wie die einer Frau hatte. Dieses Anzeichen, das selten täuscht, traf bei Lucien zu, den die Neigung seines rührigen Geistes oft, wenn er den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft analysierte, auf das Gebiet der Verderbtheit führte, wie sie den Diplomaten eigen ist, die den Erfolg für die Rechtfertigung aller Mittel halten, so schimpflich sie auch sein mögen. Es ist die Schattenseite großer Verstandesbegabung, daß sie mit Notwendigkeit alle Dinge erfaßt, die Laster ebensowohl wie die Tugenden.
    Diese beiden jungen Leute urteilten um so souveräner über die Gesellschaft, als sie eine niedrige Stellung in ihr einnahmen; denn die Unbekannten rächen oft die Niedrigkeit ihrer Lage mit dem Hochmut ihrer Betrachtungsweise. Aber ebenso war auch ihre Verzweiflung um so bitterer, weil sie gerade dadurch schneller ihrem wahren Geschick entgegengetrieben wurden. Lucien hatte viel gelesen, viel verglichen, David hatte viel gedacht, viel gesonnen. Trotz seines gesunden und bäurischen Aussehens war der Drucker ein melancholischer und kränklicher Geist, er zweifelte an sich selbst; Lucien dagegen hatte einen unternehmenden, aber schwankenden Geist und eine Kühnheit, die im Widerspruch stand zu seiner weichen, fast schwächlichen Gestalt, die voll weiblichen Reizes war. Lucien war im höchsten Maße der Charakter des Gascogners eigen: er war kühn, tapfer, abenteuerlich, ein Charakter, der das Gute übertrieben gut sieht und das Üble nicht allzu schlimm nimmt, der vor keinem Fehltritt zurückschrickt, wenn ein Nutzen dabei herausspringt, und sich nichts aus dem Laster macht, wenn er sich eine Staffel daraus machen kann. Diese Anlage der Ehrsucht wurde damals noch unterdrückt von den schönen Illusionen der Jugend, von der Glut, die ihn die edeln Mittel zu suchen antrieb, die ja ruhmbegierige Männer vor allen anderen anwenden. Er hatte nur erst mit seinen Wünschen und noch nicht mit den Widerwärtigkeiten des Lebens zu kämpfen, mit seiner eigenen Macht und noch nicht mit der Erbärmlichkeit der Menschen, die für schwankende Geister ein so verhängnisvolles Beispiel ist. Lebhaft verführt von seinem blendenden Geist, bewunderte David Lucien, ohne sich über die Irrtümer im unklaren zu sein, in die ihn das französische Ungestüm versetzte. Dieser schlichte Mann hatte einen schüchternen Charakter, der im Widerspruch stand zu seiner kräftigen Konstitution, aber es fehlte ihm nicht an der Festigkeit nördlicher Menschen. Wenn er auch Schwierigkeiten sah, nahm er sich doch vor, sie zu überwinden, ohne zu wanken, und wenn ihm die Festigkeit einer wahrhaft apostolischen Tugend eignete, milderte er sie durch die sanfte Anmut einer unerschöpflichen Nachsicht. In dieser schon nicht mehr jungen Freundschaft liebte einer von beiden wahrhaft vergötternd, und das war David. Und so kommandierte Lucien wie eine Frau, die sich geliebt weiß. David gehorchte mit Vergnügen. Die körperliche Schönheit seines Freundes gab diesem für David eine Überlegenheit, unter die er sich beugte; sich selbst fand er schwerfällig und gewöhnlich.
    »Dem Ochsen das geduldige Pflügen, dem Vogel das freie Leben«, sagte sich der Drucker. »Ich werde der Ochse sein, Lucien der Adler!«
    Seit ungefähr drei Jahren hatten so die beiden Freunde ihr Schicksal, dessen Zukunft sich so glänzend gestalten sollte, vereinigt. Sie lasen die großen Werke, die seit dem Friedensschluß auf literarischem und wissenschaftlichem Gebiete erschienen waren, die Werke von Schiller, Goethe, Lord Byron, Walter Scott, Jean Paul, Berzelius, Davy, Cuvier, Lamartine usw. Sie wärmten sich an diesen großen Feuern, sie versuchten sich selbst an Werken, die mißglückten oder die angefangen, aufgegeben und glühend wieder aufgenommen wurden. Sie arbeiteten unaufhörlich, ohne die unerschöpflichen Kräfte der Jugend zu ermüden. Beide gleich arm, aber von der Liebe zur Kunst und Wissenschaft verzehrt, vergaßen sie ihr gegenwärtiges Elend und beschäftigten sich damit, die Grundlagen ihres künftigen Ruhms zu legen.
    »Lucien, weißt du, was ich eben von Paris bekommen habe?« fragte der Drucker und zog einen kleinen

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