Verlorene Illusionen (German Edition)
sie zu einer Art geistigen Brüdern. Lucien teilte bald David die großen Gesichtspunkte einer Anwendung der Wissenschaft auf die Industrie mit, die er von seinem Vater empfangen hatte, und David zeigte Lucien die neuen Bahnen, die er in der Literatur beschreiten müßte, um sich einen Namen und ein Vermögen zu machen. Die Freundschaft dieser beiden jungen Leute gestaltete sich in wenig Tagen zu einer von den Leidenschaften, wie sie nur in dieser Jugendzeit entstehen. David erblickte bald die schöne Eva und verliebte sich in sie, wie sich die melancholischen und sinnenden Geister verlieben. Das Et nunc et semper et in saecula saeculorum der Liturgie ist der Wahlspruch dieser unbekannten Dichter, deren Werke in wunderbaren Epen bestehen, die zwischen zwei Herzen entstehen und vergehen. Als der Liebende das Geheimnis der Hoffnungen entdeckt hatte, die die Mutter und die Schwester Luciens auf diesen schönen Dichterkopf setzten, als ihre blinde Aufopferung ihm bekannt wurde, fand er es süß, sich seiner Geliebten zu nähern und ihre Opfer und Hoffnungen zu teilen. Wie die Intransigenten, die noch königlicher als der König sein wollten, übertrieb David den Glauben, den Mutter und Schwester Luciens auf sein Genie setzten, und verhätschelte ihn, wie eine Mutter ihr Kind. In einer der Unterhaltungen, die die ewige Geldnot, die ihnen die Hände band, fortwährend erzeugte, überlegten sie, wie alle jungen Leuten, die Mittel hin und her, wie man schnell zu Vermögen kommen könnte, schüttelten vergebens alle Bäume, die schon von Früheren geplündert worden waren, bis Lucien sich an zwei Ideen erinnerte, die sein Vater ausgesprochen hatte. Herr Chardon hatte davon gesprochen, man könnte durch Anwendung eines neuen chemischen Stoffs den Preis des Zuckers auf die Hälfte bringen, und ebenso ließe sich der Preis des Papiers herabsetzen, wenn man von Amerika gewisse pflanzliche Stoffe bezöge, ähnlich denen, deren sich die Chinesen bedienten und die wenig kosteten. David, der die Wichtigkeit der Frage, die schon bei Didot erörtert worden war, kannte, bemächtigte sich dieser Idee, in der er die Grundlage zu einem großen Vermögen erblickte, und sah Lucien als einen Wohltäter an, dem er ewig dankbar sein müßte.
Man kann sich denken, wie die Herrschaft dieser Gedanken und das ganze Innenleben der beiden Freunde sie unfähig machte, eine Druckerei zu führen. Während die Druckerei der Brüder Cointet, der Drucker und Verleger der bischöflichen Kanzlei, der Eigentümer des Courier de la Charente, der von jetzt an das einzige Blatt des Departements war, fünfzehn- bis zwanzigtausend Franken brachte, belief sich die Einnahme der Druckerei Séchard kaum auf dreihundert Franken im Monat, wovon das Gehalt des Faktors, der Lohn Marions, die Steuern und die Miete in Abzug kamen, so daß David auf hundert Franken im Monat angewiesen war. Tätige und betriebsame Männer hätten neue Lettern angeschafft, eiserne Pressen gekauft, hätten sich bei den Pariser Buchhändlern Werke verschafft, die sie zu niedrigem Preis gedruckt hätten; aber der Meister und der Faktor waren völlig von den Arbeiten des Kopfes in Anspruch genommen und begnügten sich mit den Aufträgen, die ihnen ihre letzten Kunden gaben. Die Brüder Cointet waren endlich hinter den Charakter und die Lebensführung Davids gekommen und verleumdeten ihn nicht mehr; im Gegenteil riet ihnen eine weise Politik, diese Druckerei ihr Leben fristen und sie in einem gewissen anständigen kleinen Umfang bestehen zu lassen, damit sie nicht in die Hände eines gefürchteten Konkurrenten fiel; sie schickten sogar selbst die sogenannten Stadtaufträge. Auf diese Weise existierte David Séchard, kaufmännisch zu sprechen, ohne es zu wissen, nur noch durch eine geschickte Kalkulation seiner Konkurrenten. Die Cointet waren glücklich über das, was sie seine Manie nannten, und benahmen sich gegen ihn dem Anschein nach durchaus ehrenhaft und loyal. Aber sie gingen in Wirklichkeit wie die Verwaltung der Privatpost vor, die eine künstliche Konkurrenz schafft, um eine wirkliche zu vermeiden.
Das Äußere des Hauses Séchard stimmte mit dem schmutzigen Geiz, der im Innern herrschte, wo der alte Bär nie etwas repariert hatte, überein. Der Regen, die Sonne, die Unbilden jeder Jahreszeit hatten der Gangtür das Aussehen eines alten Baumstammes gegeben, so sehr war sie von kleineren und größeren Spalten durchzogen. Die Fassade, die aus Steinen und Ziegeln unsymmetrisch
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