Verlorene Illusionen (German Edition)
Beifallklatschen und dem Zischen des Parterres, das schon in Aufruhr war, die Szenen ruhiger und reiner Poesie entgegenzuhalten, die er bei David in der Druckerei gekostet hatte, wenn sie beide die Wunder der Kunst, die edlen Siege des Geistes, den Ruhm mit weißen Fittichen vor Augen gesehen hatten. Er erinnerte sich an die Abende im Kreis seiner Pariser Freunde, und Tränen traten ihm in die Augen.
»Was haben Sie?« fragte ihn Etienne Lousteau.
»Ich sehe die Poesie in einer Pfütze«, antwortete er.
»Ach, lieber Freund, Sie haben noch Illusionen.«
»Aber muß man denn vor diesen plumpen Menschen Matifat und Camusot sich beugen und vor ihnen kriechen, wie sich die Schauspielerinnen vor den Journalisten beugen und wie wir vor den Verlegern?«
»Mein Lieber,« sagte ihm Etienne ins Ohr und wies auf Finot, »haben Sie nicht gesehen, wie dieser vierschrötige Kerl, der keinen Geist und kein Talent hat, aber geldgierig ist, um jeden Preis zu Vermögen kommen will und geschäftsgewandt ist, mir in Dauriats Laden vierzig Prozent abgenommen hat und dabei noch eine Miene machte, als ob ich ihm zu Dank verpflichtet sei?... eben der Mann hat Briefe, in denen mehrere angehende Genies für hundert Franken vor ihm auf den Knien liegen.«
Das Herz krampfte sich Lucien vor Ekel zusammen; er erinnerte sich an die Zeichnung: »Finot, meine hundert Franken!« die er auf der grünen Tapete der Redaktion gesehen hatte.
»Lieber sterben«, sagte er.
»Lieber leben«, erwiderte Etienne.
Der Vorhang hob sich, und der Direktor stand auf und ging hinter die Kulissen, um einige Anordnungen zu treffen.
»Mein Lieber«, sagte Finot jetzt zu Etienne, »Dauriat hat mir sein Wort gegeben, ich bin mit einem Drittel Miteigentümer des Wochenblatts. Der Vertrag lautet, daß ich dreißigtausend Franken bar einzahle unter der Bedingung, daß ich Chefredakteur und Herausgeber werde. Das ist ein großartiges Geschäft. Blondet hat mir gesagt, daß man gesetzliche Einschränkungen gegen die Presse vorbereitet, nur die schon bestehenden Blätter werden bleiben. In einem halben Jahre braucht man eine Million, um ein neues Blatt zu gründen. Ich habe also abgeschlossen, ohne daß ich mehr als zehntausend Franken besitze. Höre, wenn du es dahin bringst, daß Matifat die Hälfte meines Anteils, ein Sechstel also, für dreißigtausend Franken kauft, gebe ich dir die Chefredaktion meines Kleinen Journals mit zweihundertfünfzig Franken im Monat. Du wirst mein Strohmann sein. Ich will immer auch ferner die Redaktion leiten können und dort alle meine Interessen wahren, es soll nur nicht so aussehen, als wenn ich etwas damit zu tun hätte. Alle Artikel werden dir für den Satz von hundert Sous die Spalte bezahlt; auf diese Weise kannst du einen Überschuß von fünfzehn Franken im Tag erzielen, denn du zahlst die Spalte nur mit drei Franken und hast überdies noch den Vorteil von den unbezahlten Mitarbeitern. Das sind also noch vierhundertfünfzig Franken im Monat. Aber ich will vollständig unbehindert nach meinem Belieben in dem Blatt die Menschen und die Vorgänge angreifen oder verteidigen, dabei kannst du doch Haß und Freundschaft pflegen, soweit das meiner Politik nicht in die Quere kommt. Vielleicht werde ich Ministerieller oder Ultra, das weiß ich noch nicht; aber unter der Hand will ich meine liberalen Beziehungen pflegen. Ich sage dir alles, du bist ein guter Kerl. Vielleicht überlasse ich dir die Kammerberichte in dem Blatt, für das ich sie mache, ich kann sie jedenfalls nicht behalten. Sorge also dafür, daß Florine das Geschäftchen zustande bringt, aber sie muß ihrem Drogisten tüchtig zusetzen! Ich habe nur vierundzwanzig Stunden, in denen ich zurücktreten kann, wenn ich nicht zahlen kann. Dauriat hat das andere Drittel für dreißigtausend Franken seinem Drucker und seinem Papierlieferanten verkauft. Er für sein Teil hat sein Drittel umsonst und gewinnt noch zehntausend Franken, weil das Ganze ihm nur fünfzigtausend kostet; aber in einem Jahr wird die Revue dem Hof zweihunderttausend Franken kosten, wenn er, wie man munkelt, den guten Einfall hat, die Zeitungen aufzukaufen und zu amortisieren.«
»Du hast Glück«, rief Lousteau. »Wenn du die Zeiten des Elends durchgemacht hättest, die ich hinter mir habe, würdest du das Wort nicht gebrauchen. Aber siehst du, auch jetzt noch gibt es für mich ein Unglück, gegen das es kein Mittel gibt: ich bin der Sohn eines Hutmachers, der noch in der Rue du Coq seine Hüte verkauft.
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