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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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konnte.
    »Lassen Sie meinen Arm nicht los, wenn Sie nicht in eine Versenkung fallen, oder einen Wald auf den Kopf bekommen, oder einen Palast umstürzen, oder an einer Hütte hängen bleiben wollen. – Ist Florine in ihrem Ankleidezimmer, Herzchen?« fragte er eine Schauspielerin, die den Schauspielern auf der Bühne zuhörte, weil sie jeden Augenblick auftreten mußte. »Ja, mein Schatz. Ich danke dir für das, was du über mich gesagt hast. Das ist um so freundlicher von dir, da Florine bei uns engagiert ist.«
    »Paß auf, versäum dein Stichwort nicht, Kleine«, sagte Lousteau zu ihr. »Eile dich, hoch mit den Pfötchen! Sag recht schön: ›Halt, Unglücklicher!‹ denn es sind heute zweitausend Franken eingekommen.«
    Der verdutzte Lucien sah, wie die Schauspielerin die Miene ihrer Rolle aufsetzte, und hörte dann ihren Schrei: »Halt, Unglücklicher!« daß er vor Schreck fast erstarrte. Es war nicht mehr dieselbe Person.
    »Das ist also das Theater«, sagte er zu Lousteau.
    »Es ist wie der Laden in den Galeries de Bois und wie ein Literaturblatt: es wird überall mit Wasser gekocht«, antwortete ihm sein neuer Freund.
    Nathan erschien.
    »Für wen sind Sie denn hier?« fragte ihn Lousteau.
    »Ich mache doch, bis ich etwas Besseres finde, die kleinen Theaternotizen in der ›Gazette‹«, erwiderte Nathan.
    »Ach, soupieren Sie doch heute abend mit uns, und behandeln Sie dafür Florine gut«, sagte Lousteau zu ihm.
    »Ganz zu Ihren Diensten«, antwortete Nathan. »Sie wissen, sie wohnt jetzt Rue de Bondy.«
    »Wer ist denn der hübsche junge Mann, den du bei dir hast kleiner Lousteau?« fragte die Schauspielerin, die von der Bühne wieder in die Kulissen kam.
    »O Liebste, ein großer Dichter, ein Mann, der einmal berühmt wird. Da Sie beim Souper zusammen sein sollen, Herr Nathan, stelle ich Ihnen Herrn Lucien von Rubempré vor.«
    »Sie haben einen schönen Namen«, sagte Raoul zu Lucien.
    »Lucien! Herr Raoul Nathan«, sagte Etienne zu seinem neuen Freund. »Meiner Treu! Herr Nathan, ich habe vor zwei Tagen Ihr Buch gelesen, und ich begreife nicht, wenn man dieses Ihr Buch und Ihre Gedichtsammlung geschrieben hat, daß Sie so ergeben gegen einen Journalisten sind.«
    »Wir wollen Ihr erstes Buch abwarten«, antwortete Nathan und lächelte.
    »Seht, seht! Die Ultras und die Liberalen reichen sich also die Hand?« rief Vernou, als er dieses Trio stehen sah. »Am Vormittag habe ich die Meinungen meines Blattes; aber am Abend denke ich, was ich will: bei Nacht sind alle Journalisten grau.«
    »Etienne,« sagte Félicien zu Lousteau, »Finot ist mit mir gekommen, er sucht dich. Und ... da ist er schon.«
    »Wetter noch mal! Gibt es wirklich keinen Platz?« fragte Finot.
    »Sie haben immer einen in unsern Herzen«, sagte die Schauspielerin zu ihm und lächelte ihn holdselig an. »Sieh da! die kleine Florville, du bist also schon von deiner Liebe kuriert. Es hieß, du seiest von einem russischen Fürsten entführt worden.«
    »Entführt man die Frauen heutzutage?« erwiderte Florville, die die Schauspielerin war, die eben »Halt, Unglücklicher!« gerufen hatte. »Wir sind zehn Tage in Saint-Mandé geblieben, mein Fürst hat dafür der Direktion eine Entschädigung bezahlt. Der Direktor«, fuhr Florville lachend fort, »kann Gott bitten, viele russische Fürsten kommen zu lassen; ihre Entschädigungssummen füllten ihm ohne Ausgaben die Kasse.«
    »Und du, Kleine,« sagte Finot zu einer hübschen Bäurin, die ihnen zuhörte, »wo hast du denn die Diamanten gestohlen, die du in den Ohren hast? Hast du einen indischen Fürsten geangelt?«
    »Nein, aber einen englischen Stiefelwichshändler, der schon wieder fort ist! Nicht jede hat wie Florine und Coralie Millionäre, die sich zu Hause langweilen: die sind glücklich!«
    »Du versäumst dein Stichwort, Florville,« rief Lousteau, »die Wichse deiner Freundin steigt dir in den Kopf.«
    »Wenn du Erfolg haben willst,« sagte Nathan zu ihr, »dann darfst du nicht wie eine Furie schreien: ›Er ist gerettet!‹ Du mußt vielmehr ganz schlicht hereinkommen, bis an die Rampe treten und dann mit so'ner gewissen Bruststimme sagen: ›Er ist gerettet‹, wie die Pasta ihr ›O Patria!‹ im Tancred sagt. – Geh doch!« rief er ihr zu und stieß sie vorwärts.
    »Zu spät, sie versäumt ihr Stichwort«, sagte Vernou.
    »Was hat sie gemacht? Das Publikum klatscht aus Leibeskräften«, sagte Lousteau.
    »Sie hat sich auf die Knie geworfen und dabei ihren Busen sehen

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