Verlorene Illusionen (German Edition)
Da könnte mir nur eine Revolution helfen; und in Ermangelung einer Umwälzung der Gesellschaft muß ich Millionen haben. Ich weiß nicht, ob von den beiden Dingen die Revolution nicht das Leichtere ist. Wenn ich den Namen deines Freundes führte, wäre ich fein heraus. Still, da kommt der Direktor. Adieu!« sagte Finot und stand auf. »Ich gehe in die Oper, morgen habe ich vielleicht ein Duell: ich schreibe einen zerschmetternden Artikel gegen zwei Tänzerinnen, deren Freunde Generale sind, und zeichne ihn mit einem F. Ich greife die Oper aufs schärfste an.«
»Was Sie sagen!« machte der Direktor.
»Jawohl, jeder knickert mit mir,« antwortete Finot, »der eine nimmt mir meine Logen weg, der andere lehnt es ab, mir fünfzig Abonnements abzunehmen. Ich habe der Großen Oper mein Ultimatum gestellt: ich will jetzt hundert Abonnements und vier Logen im Monat. Wenn sie darauf eingehen, hat mein Blatt achthundert Abonnenten, die das Journal bekommen, und tausend zahlende. Ich kenne die Mittel, noch weitere zweihundert Abonnements zu bekommen: wir werden im Januar zwölfhundert haben...«
»Sie ruinieren uns«, sagte der Direktor.
»Ja, Sie haben sehr zu jammern, Sie mit Ihren zehn Abonnements. Ich habe Ihnen zwei gute Artikel im ›Constitutionnel‹ verschafft.«
»O, ich beklage mich ja nicht über Sie«, rief der Direktor.
»Auf morgen abend, Lousteau«, sagte Finot. »Du gibst mir im Théâtre Français Antwort, es ist eine Premiere dort, und da ich den Artikel nicht schreiben kann, nimmst du meine Loge für die Zeitung. Ich gebe dir den Vorzug: du hast dich für mich abgequält, ich bin dankbar. Félicien Vernou schlägt mir vor, ihm ein Jahr lang kein Gehalt zu zahlen, und bietet mir zwanzigtausend Franken für eine Drittelbeteiligung am Blatt an; aber ich will der unumschränkte Herr des Blattes bleiben. Adieu!«
»Er heißt nicht umsonst Finot, der Schlaumeier«, sagte Lucien zu Lousteau.
»O, das ist ein Ausgekochter, der wird seinen Weg machen«, antwortete ihm Etienne, ohne sich darum zu kümmern, ob der pfiffige Mann, der eben die Logentür schloß, ihn hören konnte oder nicht.
»Der!« sagte der Direktor; »er wird Millionär sein, er wird allgemeines Ansehen genießen, er wird vielleicht Freunde haben...«
»Mein Gott«, sagte Lucien, »was für ein Sumpf! Und Sie wollen dieses entzückende Mädchen zu so einem Geschäft benutzen?« sagte er und wies auf Florine, die ihnen Blicke zuwarf.
»Und es wird ihr gelingen. Sie wissen nicht, wie aufopfernd und wie geschickt diese lieben Mädchen sind«, erwiderte Lousteau.
»Sie machen alle ihre Fehler wieder gut, sie tilgen alle ihre Fehltritte durch die Stärke ihrer Liebe«, fügte der Direktor hinzu. »Die Leidenschaft einer Schauspielerin ist etwas sehr Schönes, besonders weil sie in einem so grellen Gegensatz zu ihrer Umgebung steht.«
»Es ist eine Liebe, wie wenn man im Kot einen Diamanten so köstlicher Art fände, daß er wert wäre, die stolzeste Krone zu zieren«, fuhr Lousteau fort.
»Aber«, begann jetzt der Direktor, »Coralie ist zerstreut. Unser Freund macht Coralie in sich verliebt und merkt es gar nicht; sie versäumt alle ihre Stichworte; sie ist nicht mehr bei der Sache; sie hat jetzt schon zum zweitenmal den Souffleur nicht gehört. Werter Herr, ich bitte Sie, setzen Sie sich hier in die Ecke«, sagte er zu Lucien. »Wenn Coralie in Sie verliebt ist, werde ich ihr sagen, Sie seien fortgegangen.«
»Aber nicht doch,« rief Lousteau; »sagen Sie ihr, der Herr werde beim Souper sein, und sie könnte dann mit ihm machen, was sie wollte; Sie werden sehen, sie spielt dann wie die Mars.«
Der Direktor ging.
»Mein Freund,« sagte Lucien zu Etienne, »wie! Sie machen sich kein Gewissen daraus, für die Hälfte einer Sache, die Finot eben für dreißigtausend Franken gekauft hat, Fräulein Florine von diesem Drogisten die nämliche Summe verlangen zu lassen?«
Lousteau ließ Lucien nicht Zeit, seine Betrachtung zu vollenden.
»Aber aus welchem Land stammen Sie denn, Menschenkind? Dieser Drogist ist kein Mensch, er ist nur ein Geldschrank, den die Liebe öffnet.«
»Aber Ihr Gewissen?«
»Ja, mein Lieber, sehen Sie, das Gewissen ist so ein Stock, mit dem jeder seinen Nächsten prügelt, den er aber für sich selbst nie benutzt. Was zum Teufel ist mit Ihnen los? Der Zufall tut für Sie an einem Tag das Wunder, auf das ich zwei Jahre lang gewartet habe, und Sie beschäftigen sich damit, von den Mitteln zu sprechen? Wie! Sie
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