Verlorene Illusionen (German Edition)
Dingen dieser als Andalusierin verkleideten Pariserin und der als Pariserin verkleideten Andalusierin zu weiden; und dann ein zweites Mal, um das Stück zu genießen, das durch die Gestalt des alten Mannes zum Totlachen und durch die Gestalt des verliebten Señors zum Weinen ist. Das Stück hat auf beiderlei Art Erfolg gehabt. Der Verfasser, der, wie man sagt, einen unserer großen Dichter zum Mitarbeiter hat, durfte, an jeder Hand ein verliebtes Mädchen, für den Erfolg danken: sein aufgeregtes Parterre ist vor Vergnügen beinahe umgekommen. Die Beine der beiden Mädchen schienen witziger zu sein als der Verfasser. Trotzdem fand man, als die beiden Rivalinnen weg waren, den Dialog geistvoll, was die Vortrefflichkelt des Stücks zur Genüge beweist. Der Verfasser wurde inmitten eines Beifallsturms genannt, der den Erbauer des Saals unruhig machte, aber der Verfasser, der an die heftigen Bewegungen des trunkenen Vesuvs, der unter dem Kronleuchter brodelt, gewöhnt ist, zitterte nicht: es ist Herr von Cursy. Die beiden Schauspielerinnen haben den berühmten Bolero von Sevilla getanzt, der ehemals vor den ehrwürdigen Vätern des Konzils Gnade gefunden hat und den die Zensur trotz der gefährlichen Keckheit der Stellungen erlaubt hat. Dieser Bolero allein genügt, um alle alten Herren anzuziehen, die nicht wissen, was sie mit dem Rest Liebe, der ihnen geblieben ist, machen sollen, und ich bin mitleidsvoll genug, ihnen zu raten, ihr Opernglas gut zu putzen.
Während Lucien diese Seite schrieb, die im Journalismus durch ihre neue und originelle Art Aufsehen erregte, schrieb Lousteau ein Artikelchen, betitelt ›Der Exgeck‹, das folgendermaßen begann:
»Der Geck der Kaiserzeit ist immer ein langer, magerer, wohlkonservierter Mann, der ein Korsett trägt und das Kreuz der Ehrenlegion hat. Er heißt so ähnlich wie Potelet, und um in die heutige Aristokratie zu passen, hat sich der kaiserliche Baron von sich aus ein »du« verehrt: er ist du Potelet, auf die Gefahr hin, im Falle der Revolution wieder ein schlichter Potelet zu werden. Da er übrigens wie sein Name ein Mann aus zwei Teilen ist, macht er im Faubourg Saint-Germain den Hof, nachdem er der ruhmreiche, nützliche und angenehme Schleppenträger der Schwester eines Mannes gewesen ist, den die Scham mich zu nennen verhindert. Wenn du Potelet seinen Dienst bei der Kaiserlichen Hoheit verleugnet, dann singt er doch noch die Romanzen seiner innig verehrten Wohltäterin...«
Der Artikel war ein Gewebe aus recht albernen persönlichen Anspielungen, wie man sie in dieser Zeit machte; denn diese Gattung wurde seitdem, besonders durch den ›Figaro‹, erstaunlich vervollkommnet. Lousteau zog zwischen der Frau von Bargeton, der Baron du Châtelet den Hof machte, und einem Fischbein eine spaßhafte Parallele, die belustigte, ohne daß man die beiden Personen, die aufs Korn genommen wurden, kennen mußte. Châtelet war mit einem Reiher verglichen. Die Liebschaften dieses Reihers, der das Fischbein nicht hinunterschlucken konnte, das in drei Stücke brach, wenn er es fallen ließ, reizten unwiderstehlich zum Lachen. Dieser Spaß, der auf mehrere Artikel verteilt war, verursachte, wie man weiß, riesigen Aufruhr im Faubourg Saint-Germain und war einer von den tausendundein Gründen für die Härten des Preßgesetzes. Eine Stunde später kamen Blondet, Lousteau und Lucien wieder in den Salon, in dem die Gäste, der Herzog, der Minister, die vier Frauen, die drei Kaufleute, der Theaterdirektor und Finot miteinander plauderten. Ein Lehrling mit seiner Papiermütze auf dem Kopf war schon gekommen, um Manuskript für das Blatt zu verlangen.
»Die Gehilfen wollen fortgehen, wenn ich ihnen nichts bringe«, sagte er. »Hier hast du zehn Franken, sie sollen warten«, sagte Finot. »Wenn ich ihnen die gebe, fangen sie zu saufen an, und dann ists aus mit der Nummer.«
»Der Verstand dieses Kindes erschreckt mich«, sagte Finot.
In dem Augenblick, wo der Minister dem kleinen Kerl eine glänzende Zukunft prophezeite, traten die drei Schriftsteller ein. Blondet las einen überaus geistvollen Artikel gegen die Romantiker vor. Der Artikel Lousteaus rief Gelächter hervor. Der Herzog von Rhétoré riet, um das Faubourg Saint-Germain nicht zu sehr zu verschnupfen, ein indirektes Lob für Frau d'Espard einfließen zu lassen.
»Und nun lesen Sie uns, was Sie geschrieben haben«, sagte Finot zu Lucien.
Als Lucien, der vor Angst zitterte, fertig gelesen hatte, erhob sich lauter Beifall im
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