Verlorene Illusionen (German Edition)
sie kosten der Direktion nichts, sie sind schon untergebracht, beim Chor, dem Orchester und dem Ballettkorps. Dein Blatt ist so famos, daß sich niemand beklagt. Du sollst deine Logen haben. Hier ist der Preis für das erste Vierteljahr«, sagte sie und überreichte ihm zwei Banknoten. »Also mach mich nicht herunter«
»Ich bin verloren,« rief Finot, »ich habe keinen Leitartikel mehr für die Nummer, denn mein infames Geschimpfe muß nun wegbleiben...«
»Wie schön du dich bewegst, meine göttliche Laïs«, rief Blondet, der der Tänzerin mit Nathan, Vernou und Claude Vignon, die mit ihm gekommen waren, gefolgt war. »Du bleibst bei uns zum Souper, liebes Kind, oder ich lasse dich zerdrücken wie einen Schmetterling, der du ja bist. Als Tänzerin wirst du hier, was das Talent angeht, keine Rivalität erregen; und was die Schönheit angeht, seid ihr alle zu gescheit, um öffentlich eifersüchtig zu sein.«
»Guter Gott! Freunde, du Bruel, Nathan, Blondet, rettet mich!« rief Finot, »ich brauche fünf Spalten.«
»Ich schreibe zwei über das Stück«, sagte Lucien.
»Ich habe Stoff für eine«, sagte Lousteau. »Also Nathan, Vernou, du Bruel, macht mir die kleinen Scherze für den Rest. Der wackere Blondet kann mir die beiden kleinen Spalten auf der ersten Seite füllen. Ich eile in die Druckerei. Zum Glück bist du mit deinem Wagen gekommen, Tullia.«
»Ja, aber der Herzog ist darin mit einem deutschen Minister«, sagte sie.
»Laden wir also den Herzog und den Minister ein«, sagte Nathan.
»Ein Deutscher trinkt gut und hört zu, wir wollen ihm so viele Kühnheiten sagen, daß er darüber seinem Hof berichtet«, rief Blondet.
»Wer unter uns allen ist reputierlich genug, um mit ihm zu sprechen?« sagte Finot. »Geh du, Bruel, du bist Beamter, führe den Herzog von Rhétoré und den Minister herauf. Gib Tullia den Arm. Gott, ist diese Tullia heute abend schön!«
»Wir werden zu dreizehn sein«, sagte Matifat erblassend.
»Nein, vierzehn,« rief Florentine, die eben eintrat, »ich will auf Mylord Cardot aufpassen.«
»Überdies«, sagte Lousteau, »hat Blondet Claude Vignon mitgebracht.«
»Ich habe ihn zum Trinken mitgebracht«, sagte Blondet und nahm ein Tintenfaß. »Und ihr«, sagte er zu Nathan und Vernou, »müßt für die sechsundfünfzig Flaschen Wein, die wir trinken werden, Witz haben. Bringt vor allem du Bruel auf den Damm, das ist ein Vaudevillist, der ist gewohnt, schlechte Witze zu machen, bearbeitet ihn, bis er etwas Gutes sagt.«
Lucien war von dem Wunsch erfüllt, vor so bedeutenden Personen seine Probe abzulegen, und er schrieb auf dem runden Tisch in Florinens Boudoir beim Glanz der rosa Kerzen, die Matifat angesteckt hatte, seinen ersten Artikel:
Panorama Dramatique
Erste Vorstellung des »Alkalden in der Klemme«, Imbroglio in drei Akten. – Erstes Auftreten von Fräulein Florine. – Fräulein Coralie. – Vignol.
Man kommt, man geht, man spricht, geht auf und ab, sucht etwas und findet nichts, alles ist durcheinander. Der Alkalde hat seine Tochter verloren und findet seine Mütze; aber die Mütze paßt ihm nicht, es muß die Mütze eines Diebes sein. Wo ist der Dieb? Man kommt, man geht, man spricht, man geht hin und her, man sucht von neuem. Der Alkalde findet schließlich einen Mann ohne seine Tochter und seine Tochter ohne einen Mann, was befriedigend für den Beamten, aber nicht für das Publikum ist. Es tritt wieder Ruhe ein, der Alkalde will den Mann befragen. Der alte Alkalde setzt sich in einen großen Alkaldensessel und bringt seine Alkaldenärmel in Ordnung. Spanien ist das einzige Land, in dem es Alkalden gibt, die in großen Ärmeln stecken, in dem man um den Hals der Alkalden die Krausen sieht, die auf den pariser Theatern die Hälfte ihres Berufs sind. Dieser Alkalde, der mit den kleinen Schritten eines engbrüstigen Alten so viel hin und her getrippelt ist, wird von Vignol gespielt. Vignol, der Nachfolger Poliers, ist ein junger Schauspieler, der die alten Männer so gut gibt, daß er die ältesten der alten Männer zum Lachen gebracht hat. In dieser braunroten Stirn, in dieser meckernden Stimme, in diesen spindeldürren Beinen, die am Leib eines Zittergreises bammeln, liegt ein Geschlecht von hundert alten Männern. Dieser junge Schauspieler ist so alt, daß er erschreckt; man hat Angst, seine Greisenhaftigkeit könnte sich wie eine ansteckende Krankheit verbreiten. Und was für ein prachtvoller Alkalde! Wie reizend ist das unruhige Lächeln! Welche
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