Verlorene Illusionen (German Edition)
Salon, die Schauspielerinnen umarmten den neugebackenen Journalisten, die drei Kaufleute drückten ihn an sich, daß er fast erstickte, du Bruel drückte ihm die Hand und hatte eine Träne im Auge, der Direktor endlich lud ihn zum Diner ein.
»Es gibt keine Kinder mehr«, sagte Blondet. »Da Herr von Chateaubriand das Wort `Himmlisches Kind´ schon für Victor Hugo geprägt hat, bin ich genötigt, Ihnen ganz schlicht zu sagen, daß Sie ein Mann sind, der Geist, Gemüt und Stil besitzt.«
»Der Herr gehört zu unserm Blatt«, sagte Finot, dankte Etienne und warf ihm den scharfen Blick des Ausbeuters zu.
»Was für Witze haben Sie gemacht?« fragte Lousteau Blondet und du Bruel.
»Hier haben Sie die von du Bruel«, sagte Nathan:
»Der Herr Vicomte Demosthenes sagte gestern, als er sah, wie sehr der Vicomte d'A... das Publikum beschäftigt: ›Vielleicht lassen sie mich jetzt in Ruhe.‹ Eine Dame sagte zu einem Ultra, der von der Rede Herrn Pasquiers tadelnd sagte, sie setze das System von Decazes fort: ›Ja, aber er hat sehr monarchische Waden‹...«
»Wenn es auf diese Weise anfängt, wünsche ich weiter nichts; dann ist alles gut«, sagte Finot. »Bring ihnen das, lauf!« sagte er zu dem Lehrling. »Das Blatt sieht ein bißchen kunterbunt aus, aber es ist unsere beste Nummer.« Damit wandte er sich zu der Schriftstellergruppe, die Lucien bereits etwas tückisch betrachtete.
»Der Bursche hat Geist«, sagte Blondet.
»Sein Artikel ist gut«, sagte Claude Vignon. »Zu Tisch!« rief Matifat.
Der Herzog gab Florine den Arm, Coralie nahm den von Lucien, und die Tänzerin hatte auf der einen Seite Blondet, auf der andern den deutschen Minister.
»Ich begreife nicht, warum Sie Frau von Bargeton und den Baron du Châtelet angreifen, der zum Präfekt der Charente und zum Vortragenden Rat ernannt worden sein soll.«
»Frau von Bargeton hat Lucien wie einen Schlingel vor die Tür gesetzt«, erwiderte Lousteau.
»Einen so schönen jungen Mann«, sagte der Minister.
Das Souper wurde auf neuem Silbergeschirr, auf Porzellan von Sèvres und Damastgedecken serviert, und alles machte einen großartigen Eindruck. Chevet hatte das Souper bereitet, die Weine waren vom berühmtesten Händler des Quai Saint-Bernard, einem Freunde Camusots, Matifats und Cardots, ausgesucht worden. Lucien, der zum erstenmal den Pariser Luxus in Funktion sah, geriet also von einer Überraschung in die andere und verbarg als Mann, der nach dem Wort Blondets Geist, Gemüt und Stil besaß, sein Erstaunen.
Coralie hatte, als sie durch den Salon ging, Florinen ins Ohr gesagt: »Mach mir Camusot so betrunken, daß er die Nacht hier zubringen muß.«
»Du hast also deinen Journalisten geknetet«, erwiderte Florine und wandte damit ein Wort aus der besondern Sprache dieser Mädchen an.
»Nein, ich liebe ihn«, antwortete Coralie und machte eine entzückende kleine Bewegung mit den Schultern.
Diese Worte waren Lucien ins Ohr geklungen, die fünfte Todsünde hatte sie dahin getragen. Coralie war wundervoll angezogen, und ihre Toilette hob sehr geschickt ihre besondern Reize, denn jede Frau hat Vollkommenheiten, die ihr eigentümlich sind. Ihr Kleid hatte wie das Florinens den Vorzug, aus einem entzückenden Stoff, der noch nicht bekannt war, gemacht zu sein, den man Seidenmusselin nannte. Camusot in seiner Eigenschaft als Großseidenhändler war es gelungen, diesen Stoff als erster aus Lyon zu erhalten. So hoben die Liebe und die Toilette, diese Schminke und dieser Duft der Frau die Reize der glücklichen Coralie. Ein Vergnügen, das uns erwartet, das uns nicht entgehen kann, übt auf junge Leute außerordentlichen Reiz aus. Es könnte sein, daß die Gewißheit der ganze Reiz ist, den die schlechten Häuser auf sie ausüben; die Gewißheit ist vielleicht das Geheimnis der langen Treue. Die reine, aufrichtige Liebe, kurz, die erste Liebe, verbunden mit einem der plötzlichen, leidenschaftlichen Anfälle, die diese armen Geschöpfe anstacheln, und auch ihre Bewunderung für die große Schönheit Luciens gaben Coralie den Geist des Herzens.
»Ich würde dich lieben, auch wenn du krank und häßlich wärst!« sagte sie Lucien ins Ohr, als man sich zu Tisch setzte.
Was für ein Wort für einen Dichter! Camusot verschwand für Lucien, er sah ihn nicht mehr, wenn er Coralie sah. Konnte sich ein junger Mensch, der ganz Genußfreude und Sinnenlust war, der das eintönige Provinzleben satt hatte, der von den Abgründen von Paris angezogen wurde, der vom
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