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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sind«, erwiderte Vernou.
    »Enten?« fragte Lucien. »Wir nennen eine Ente«, antwortete ihm Hector, »eine Tatsache, die so aussieht, als ob sie wahr wäre, die man aber erfindet, um die Nachrichten aus Paris aufzufrischen, wenn sie ein bißchen matt geworden sind. Die Ente ist eine Erfindung von Franklin, der den Blitzableiter, die Ente und die Republik erfunden hat. Dieser Journalist hat die Enzyklopädisten mit seinen Enten von jenseits des Meeres so gut getäuscht, daß Raynal in seiner ›Philosophischen Geschichte Indiens‹ zwei dieser Enten als authentische Tatsachen mitgeteilt hat.«
    »Das wußte ich nicht«, sagte Vernou. »Was sind das für zwei Enten?«
    »Die Geschichte von dem Engländer, der seine Befreierin, eine Negerin, verkauft, nachdem er sie vorher zur Mutter gemacht hat, um mehr Geld für sie zu lösen. Und dann die prächtige Verteidigungsrede der jungen Schwangeren, die ihren Prozeß gewinnt. Als Franklin nach Paris kam, gestand er Necker seine Enten ein, was die französischen Philosophen in große Verwirrung brachte. Und so hat die Neue Welt zweimal die Alte betrogen.«
    »Die Zeitung stellt alles als wahr hin,« sagte Lousteau, »was wahrscheinlich ist. Davon gehen wir aus.«
    »Die Justiz verfährt nicht anders«, meinte Vernou.
    »Also heute abend um neun Uhr sind wir wieder hier«, sagte Merlin.
    Man stand auf, schüttelte sich die Hände, und die Sitzung wurde unter Bezeigungen der rührendsten Freundschaft aufgehoben.
    »Was hast du denn mit Finot gemacht,« fragte Etienne Lucien, als sie die Treppe hinabgingen, »daß er einen Vertrag mit dir geschlossen hat? Du bist der einzige, an den er sich gebunden hat.«
    »Ich? Nichts; er hat es mir vorgeschlagen«, versetzte Lucien.
    »Nun schön. Wenn du mit ihm einig bist, soll es mir recht sein, wir beide werden dann nur stärker sein.«
    Im Erdgeschoß trafen Etienne und Lucien Finot, der Lousteau in das offizielle Redaktionszimmer beiseitenahm.
    »Unterzeichnen Sie Ihren Vertrag, damit der neue Chefredakteur glaubt, die Abmachung datiere von gestern«, sagte Giroudeau und überreichte Lucien zwei gestempelte Bogen.
    Während Lucien den Vertrag überlas, hörte er zwischen Etienne und Finot eine ziemlich lebhafte Auseinandersetzung über die Naturalien, die das Blatt erhielt. Etienne wollte seinen Anteil an diesen Steuern, die Giroudeau erhob. Es kam ohne Frage zwischen Finot und Lousteau zu einer Einigung, denn die beiden Freunde traten sehr einträchtig wieder heraus.
    »Um acht Uhr in den Galeries de Bois bei Dauriat«, sagte Etienne zu Lucien.
    Ein junger Mann trat mit der schüchternen und verlegenen Miene, die Lucien noch vor kurzem gehabt hatte, ein und bot seine Mitarbeit an. Lucien sah mit geheimem Vergnügen, wie Giroudeau dem Neuling gegenüber dieselben Scherze anwandte, durch die der alte Offizier auch ihn getäuscht hatte: sein Interesse ließ ihn die Notwendigkeit dieses Verfahrens völlig begreifen, das zwischen den Anfängern und der Dachkammer, in der die Auserwählten Einlaß fanden, fast unübersteigbare Schranken errichtete.
    »Die Redakteure haben selber noch nicht Geld genug«, sagte er zu Giroudeau.
    »Wenn ihr mehr wäret, hätte jeder von euch weniger«, versetzte der Kapitän. »Also!«
    Der pensionierte Offizier schwenkte seinen Stock mit dem Bleiknopf, ging mit seinem üblichen Gebrumm hinaus und machte ein sehr verdutztes Gesicht, als er Lucien in die schöne Equipage steigen sah, die auf dem Boulevard auf ihn gewartet hatte. »Jetzt seid ihr die Offiziere und wir die Zivilisten«, sagte der Soldat zu ihm.
    »Auf Ehrenwort, diese jungen Leute scheinen mir die besten Menschen der Welt zu sein«, sagte Lucien zu Coralie. »Ich bin also jetzt Journalist und habe die Sicherheit, monatlich sechshundert Franken zu verdienen, wenn ich arbeite wie ein Pferd; aber ich werde meine beiden Bücher unterbringen und werde andere schreiben, denn meine Freunde werden den Erfolg für mich organisieren! Ich sage also wie du, Coralie: es sei gewagt!«
    »Es wird alles gut gehen, mein Söhnchen; sei aber ja nicht so gut, wie du schön bist, sonst ruinierst du dich. Sei schlecht zu den Menschen, das ist guter Ton.«
    Coralie und Lucien fuhren im Bois de Boulogne spazieren und begegneten dort der Marquise d'Espard, Frau von Bargeton und dem Baron du Châtelet. Frau von Bargeton richtete einen verführerischen Blick auf Lucien, der für einen Gruß gelten konnte. – Camusot hatte das feinste Diner der Welt bestellt. Coralie, die

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