Verlorene Illusionen (German Edition)
Theater, und Lucien wurde überall als Berichterstatter eingeführt, von den Direktoren beglückwünscht, von den Schauspielerinnen neugierig betrachtet, denn sie hatten alle gehört, welche Bedeutung ein einziger Artikel von ihm Coralie und Florine gegeben hatte, von denen die eine mit zwölftausend Franken jährlich ans Gymnase und die andere mit achttausend ans Panorama engagiert worden war. Das waren lauter kleine Huldigungen, die Lucien in seinen eigenen Augen hoben und ihm das Gefühl seiner Macht gaben. Um elf Uhr langten die beiden Freunde im Panorama Dramatique an, und Lucien hatte nun eine freie und ungezwungene Miene, die Wunder tat. Nathan war da, er streckte Lucien die Hand hin, der sie nahm und drückte.
»Oh! da sind ja meine Meister,« sagte er mit einem Blick auf Lucien und Lousteau, »Sie wollen mich also begraben.«
»Warte doch bis morgen, mein Lieber, da sollst du sehen, wie Lucien dich heruntermacht! Mein Wort darauf, du wirst zufrieden sein. Wenn die Kritik so ernsthaft ist, kann ein Buch nur Vorteil davon haben.«
Lucien wurde rot vor Scham.
»Ist es hart?« fragte Nathan.
»Es ist ernst«, sagte Lousteau.
»Es wird also nicht von Schaden sein?« fragte Nathan nochmals. »Hector Merlin sagte im Foyer des Vaudeville, der Artikel breche mir das Genick.«
»Lassen Sie es ihn sagen, und warten Sie es ab«, rief Lucien und flüchtete sich in das Ankleidezimmer Coralies, in das die Schauspielerin eben in ihrem entzückenden Kostüm von der Bühne hereingetreten war.
Als Lucien am Tage darauf mit Coralie beim Frühstück saß, hörte er ein Kabriolett anfahren, dessen Rasseln in der ziemlich verlassenen Straße einen eleganten Wagen verkündete und dessen Pferd den freien Tritt und die besondere Art anzuhalten hatte, die reine Rasse verraten. Als er ans Fenster trat, sah Lucien in der Tat das prächtige englische Pferd Dauriats und Dauriat, der seinem Groom die Zügel reichte und dann absprang.
»Es ist der Verleger«, rief Lucien seiner Geliebten zu.
»Er soll warten«, sagte Coralie sofort zu Berenice.
Lucien lächelte über die Sicherheit dieses jungen Mädchens, das sich so wundervoll mit seinen Interessen identifizierte, und umarmte sie mit wahrem Gefühl: sie hatte Geist gezeigt. Die Schnelligkeit, mit der der übermütige Verleger, dieser Fürst der Scharlatane, zu Kreuze kroch, hing mit Umständen zusammen, die heute fast völlig vergessen sind, so sehr hat sich der Buchhandel in den letzten fünfzehn Jahren verändert. Zwischen 1816 und 1827, zu welchem Zeitpunkt die Lesekabinette, die zuerst nur für die Zeitungslektüre eingerichtet waren, erst anfingen, neue Bücher gegen eine Vergütung auszuleihen und an dem die Verschlechterung der fiskalischen Gesetze über die periodische Presse erst die Annoncen erzeugte, verfügte der Buchhandel über keine anderen Mittel der Bekanntmachung als die Artikel, die entweder in den Feuilletons oder im Hauptteil der Zeitungen eingerückt wurden. Bis 1822 erschienen die französischen Zeitungen in Bogen von so kleinem Umfang, daß die großen Blätter kaum größer waren als die kleinsten der heutigen Zeitungen. Um der Tyrannei der Journalisten Widerstand leisten zu können, erfanden Dauriat und Ladvocat als die ersten die Plakate, mit denen sie die Aufmerksamkeit von Paris fesselten, indem sie phantastische Schriften, bizarre Farben, Vignetten und später Lithographien anwandten, die aus dem Plakat ein Gedicht für die Augen und oft eine Enttäuschung für den Geldbeutel der Käufer machten. Die Plakate wurden so originell, daß einer der Monomanen, die man Sammler nennt, eine vollständige Sammlung von ihnen besitzt. Dieses Mittel der Ankündigung, das zuerst nur in den Schaufenstern der Läden und auf den Boulevards angewandt wurde, sich aber später über ganz Frankreich ausdehnte, wurde von der Annonce verdrängt. Trotzdem wird es immer Plakate geben, die noch in die Augen stechen, wenn die Annonce und oft das Werk selbst schon vergessen sind, besonders seit man darauf gekommen ist, sie auf die Wände zu malen. Die Annonce, deren sich jeder, der Geld hat, bedienen kann und die die vierte Seite der Zeitungen in ein Feld verwandelt hat, das für den Fiskus ebenso fruchtbar ist wie für die Spekulanten, entstand infolge der harten Bestimmungen des Stempels, der Post und der Kautionen. Diese Beschränkungen, die in der Zeit des Herrn von Villèle eingeführt wurden und die damals den Zeitungen hätten verderblich werden können, indem sie sie
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