Verlorene Illusionen (German Edition)
gleich mit und sagte seinem Dichter, er sollte, wenn er wollte, in den Galeries de Bois vorsprechen, um den Vertrag zu unterzeichnen, den er bereithalten würde. Immer im Stil der königlichen Manieren, mit denen er oberflächlichen Menschen zu imponieren und mehr als Mäzen wie als Buchhändler zu wirken versuchte, ließ er die dreitausend Franken da, ohne eine Empfangsbestätigung mitzunehmen, lehnte vielmehr die Quittung, die Lucien ihm anbot, mit einer unbekümmerten Geste ab, küßte Coralie die Hand und ging.
»Sage nun selbst, Geliebter, hättest du von diesen Lappen viel gesehen, wenn du in deinem Loch in der Rue de Cluny geblieben wärst und in deinen alten Schmökern in der Bibliothèque Sainte-Geneviève studiert hättest?« fragte Coralie Lucien, der ihr seine ganze Geschichte erzählt hatte. »Deine Freunde aus der Rue des Quatre-Vents scheinen wahrhaftig rechte Gimpel zu sein!«
Seine Freunde vom Zirkel wurden Gimpel genannt! Und Lucien hörte dieses Urteil lachend mit an. Er hatte seinen Artikel gedruckt gesehen, hatte die unsägliche Freude der Schriftsteller gekostet, den ersten Genuß der Eigenliebe, der dem Geist nur ein einziges Mal in dieser Weise wohltut. Als er seinen Artikel wieder und wieder las, empfand er seine Tragweite und seine Bedeutung besser. Der Druck ist für die Manuskripte, was das Theater für die Frauen ist: er bringt die Schönheiten und die Fehler zutage; er tötet ebenso, wie er lebendig macht; ein Fehler springt ebenso lebhaft in die Augen wie die schönen Gedanken. Lucien war berauscht und dachte nicht mehr an Nathan; Nathan war sein Sprungbrett, er schwamm in Wonne, er sah sich reich. Für einen halben Knaben, der noch vor kurzer Zeit schüchtern die Stufen von Beaulieu nach Angoulême hinabgestiegen und nach Houmeau in die Dachwohnung Postels zurückgekehrt war, wo die ganze Familie von zwölfhundert Franken jährlich lebte, war die Summe, die Dauriat gebracht hatte, ein unerhörter Reichtum. Die Erinnerung, die noch sehr lebhaft war und die dennoch in den fortgesetzten Vergnügungen des Pariser Lebens bald erlöschen mußte, führte ihn nach der Place du Mûrier. Er dachte an seine schöne, edle Schwester Eva, seinen David und seine arme Mutter, und sofort schickte er Berenice weg, um einen Tausendfrankenschein wechseln zu lassen, und schrieb inzwischen einen kurzen Brief an seine Familie; dann sandte er Berenice zur Post, als ob er fürchtete, jede Verzögerung könnte es unmöglich machen, die fünfhundert Franken wegzuschicken, die er an seine Mutter adressierte. Ihm und Coralie kam diese Zurückgabe wie eine edle Tat vor. Die Schauspielerin umarmte Lucien, sie fand in ihm das Muster eines Sohnes und Bruders, sie überhäufte ihn mit Zärtlichkeiten: ein Zug dieser Art entzückt diese guten Mädchen, die alle ein weiches Herz haben, stets.
»Wir haben jetzt«, sagte sie zu ihm, »während der ganzen Woche alle Tage ein Diner. Wir wollen uns ein kleines Fest machen, du hast genug gearbeitet.«
Coralie führte ihn als Frau, die die Schönheit eines Mannes, um den sie alle Frauen beneiden mußten, ganz auskosten wollte, zu Staub; sie fand ihren Lucien nicht gut genug gekleidet. Von da ging das Liebespaar ins Boulogner Wäldchen und begab sich dann zum Diner bei Frau du Val-Noble, wo Lucien Rastignac, Bixiou, des Lupeaulx, Finot, Blondet, Vignon, den Baron von Nucingen, Beaudenord, Philipp Bridau, den großen Musiker Conti, kurz, die ganze Welt der Künstler, der Spekulanten, all der Leute, die sich von großen Arbeiten durch große Erregungen erholen wollten, antraf. Sie nahmen alle Lucien vortrefflich auf. Lucien hatte seine Sicherheit gewonnen und ließ seinen Geist spielen, als ob er keinen Handel damit triebe; er wurde für einen starken Mann erklärt: dieses Lob war damals unter diesen Menschen, die so halb und halb alle einer Clique angehörten, in Mode. »Oh, man muß untersuchen, wie seine Eingeweide beschaffen sind«, sagte Théodore Gaillard zu einem der Hofpoeten, der damit umging, ein kleines royalistisches Blatt zu gründen, das später den Namen ›Le Réveil‹ erhielt.
Nach dem Diner begleiteten die beiden Journalisten ihre Geliebten in die Große Oper, wo Merlin eine Loge hatte, und die ganze Gesellschaft ging mit. So erschien Lucien im Triumphe wieder da, wo er vor wenigen Monaten eine so schwere Niederlage erlitten hatte. Er ging im Foyer Arm in Arm mit Merlin und Blondet auf und ab und sah den Stutzern ins Gesicht, die sich vor kurzem über ihn
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