Verlorene Illusionen (German Edition)
zeigte daneben immer noch eine Mischung aus Überhebung und gutmütiger Herablassung.
»Laßt euch nicht stören, liebe Freunde«, sagte er. »Was das für zwei reizende Turteltauben sind! Wer würde glauben, junges Fräulein, daß dieser Mann, der wie ein junges Mädchen aussieht, ein Tiger mit ehernen Klauen ist, der einem den guten Namen zerreißt, wie er Ihren Morgenrock zu zerreißen imstande ist, wenn Sie ihn nicht schnell genug abnehmen.«
Und er fing zu lachen an, ohne seinen Spaß zu vollenden.
»Kleiner«, fuhr er fort und setzte sich zu Lucien ... Er unterbrach sich und sagte zu Coralie: »Mein Name ist Dauriat.«
Der Buchhändler hielt es für nötig, seinen imponierenden Namen zu nennen, da er fand, daß Coralie ihn nicht so, wie er es gewohnt war, empfing.
»Haben Sie gefrühstückt, Herr Dauriat? Wollen Sie uns Gesellschaft leisten?« fragte die Schauspielerin.
»Sehr gern. Bei Tisch plaudert es sich besser«, erwiderte Dauriat. »Überdies erlange ich, wenn ich am Frühstück teilnehme, das Recht, Sie mit meinem Freund Lucien zum Diner einzuladen, denn wir müssen jetzt Freunde werden wie die Hand und der Handschuh.«
»Berenice! Austern, Zitronen, frische Butter und Champagner!« rief Coralie.
»Sie sind klug genug, zu wissen, was mich herführt«, begann Dauriat und blickte Lucien an.
»Sie sind gekommen, um mir meine Sonettensammlung abzukaufen?«
»Ganz richtig«, antwortete Dauriat. »Legen wir also vor allem beide die Waffen nieder.«
Er entnahm seiner Tasche ein elegantes Portefeuille, legte dreitausend Franken auf einen Teller, überreichte sie Lucien mit einer höfischen Miene und sagte: »Ist der Herr nun zufrieden?«
»Ja«, erwiderte der Dichter, der beim Anblick dieser unverhofften Summe eine ungekannte Seligkeit verspürte. Er hielt sich zurück, aber er hatte Lust zu singen und herumzuspringen; er glaubte an Aladins Wunderlampe, an Zauberer; er glaubte endlich an sein Genie.
»Die ›Margueriten‹ gehören also mir,« sagte der Verleger; »aber Sie werden niemals mehr eines meiner Bücher angreifen?«
»Die ›Margueriten‹ gehören Ihnen; aber ich kann für meine Feder keine Verpflichtungen eingehen, sie gehört meinen Freunden, wie die ihrige mir.«
»Aber Sie werden doch einer meiner Autoren. Alle meine Autoren sind meine Freunde. Sie werden also meine Geschäfte nicht mehr schädigen, ohne mich vor dem Angriff zu warnen, damit ich ihm zuvorkommen kann.«
»Abgemacht.«
»Auf Ihren Ruhm!« sagte Dauriat und hob sein Glas.
»Ich sehe wohl, Sie haben die ›Margueriten‹ gelesen«, sagte Lucien.
Dauriat ließ sich nicht aus der Fassung bringen.
»Kleiner Freund, wenn ein Buchhändler die ›Margueriten‹ kauft, ohne sie zu kennen, ist das die schönste Schmeichelei, die er zu vergeben hat. Binnen einem halben Jahre sind Sie ein großer Dichter; Sie werden Artikel haben, man fürchtet Sie, ich brauche nichts dazu zu tun, um Ihr Buch zu verkaufen. Ich bin heute derselbe Geschäftsmann wie vor vier Tagen. Ich habe mich nicht verändert, aber Sie: in der vorigen Woche waren Ihre Sonette für mich Kohlblätter; heute sind sie durch die Stellung, die Sie sich erobert haben, zum Rang eines Delavigne emporgerückt.«
»Also,« sagte Lucien, den das Sultansvergnügen, eine schöne Geliebte zu haben, und die Gewißheit seines Erfolges zum Spott aufgelegt und entzückend frech machten, »wenn Sie meine Sonette nicht gelesen haben, so haben Sie meinen Artikel gelesen.«
»Gewiß, mein Freund, wäre ich sonst so rasch gekommen? Er ist leider sehr schön, dieser schreckliche Artikel. Ah! Sie haben ein großes Talent, mein Bursche. Folgen Sie mir, nutzen Sie Ihre Zugkraft aus«, fügte er mit einer Gutmütigkeit hinzu, die die starke Unverschämtheit des Wortes verhüllte. »Aber haben Sie das Blatt bekommen, haben Sie es gelesen?«
»Noch nicht,« versetzte Lucien, »und doch ist es das erstemal, daß ich ein größeres Prosastück veröffentliche; Hector wird es wohl in meine Wohnung nach der Rue Charlot geschickt haben.«
»Hier, lies! ...« sagte Dauriat, indem er Talma im ›Manlius‹ nachahmte. Lucien nahm das Blatt, aber Coralie entriß es ihm.
»Mir gehört die Jungfernschaft Ihrer Feder, Sie wissen doch noch?« sagte sie lachend.
Dauriat zeigte sich überaus schmeichlerisch und geschmeidig; er fürchtete Lucien und lud ihn also mit Coralie zu einem großen Diner ein, das er gegen Ende der Woche den Journalisten gab. Er nahm das Manuskript der ›Margueriten‹
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