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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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seine Brust.
    »Ich hoffe, Geliebte,« sagte er zu ihr, »ich werde dich einmal für so viel Liebe und Aufopferung belohnen können.«
    »Bah!« sagte sie, »bist du zufrieden?«
    »Ich wäre sehr undankbar, wenn ich es nicht wäre.«
    »Dieses Lächeln ist mir Lohn genug«, erwiderte sie und drückte unter einer geschmeidigen Schlangenbewegung ihres Leibes ihre Lippen auf die seinen.
    Sie fanden Florine, Lousteau, Matifat und Camusot gerade dabei, die Spieltische aufzustellen. Die Freunde Luciens langten an, denn alle diese Leute nannten sich schon Luciens Freunde. Man spielte von neun Uhr bis Mitternacht. Zu seinem Glücke kannte Lucien kein Spiel; aber Lousteau verlor tausend Franken und borgte sie von Lucien, der glaubte, sie ihm nicht verweigern zu dürfen, da sein Freund ihn darum bat. Ungefähr um zehn Uhr traten Michel, Fulgence und Joseph ein. Lucien, der mit ihnen in einer Ecke plauderte, fand ihre Manieren recht kühl und ernst, um nicht zu sagen gezwungen. D'Arthez hatte nicht kommen können, er war dabei, sein Buch zu vollenden. Léon Giraud war mit der Veröffentlichung der ersten Nummer seiner Zeitschrift beschäftigt. Der Zirkel hatte seine drei Künstler entsandt, die sich bei solch einem Gelage weniger wie in der Fremde vorkommen mußten als die andern.
    »Nun, liebe Kinder,« sagte Lucien und nahm ein wenig den Ton der Überlegenheit an, »ihr sollt sehen, der kleine Possenreißer kann ein großer Politiker werden.«
    »Ich wünsche mir nichts Besseres, als daß ich mich getäuscht habe«, erwiderte Michel.
    »Du lebst bis auf weiteres mit Coralie?« fragte ihn Fulgence.
    »Ja«, erwiderte Lucien mit einem Gesicht, das harmlos sein sollte. »Coralie hatte einen armen, alten Kaufmann, der sie anbetete; sie hat ihn vor die Tür gesetzt. Ich bin glücklicher als dein Bruder Philipp, der nicht weiß, wie er mit Mariette fertig werden soll«, fügte er mit einem Blick auf Joseph Bridau hinzu. »Kurz,« sagte Fulgence, »du bist jetzt ein Mensch wie ein anderer und wirst dein Glück machen.«
    »Ein Mensch, der für euch derselbe bleibt, in welcher Lage er sich auch befindet«, antwortete Lucien.
    Michel und Fulgence sahen sich an und tauschten ein spöttisches Lächeln aus. Lucien bemerkte es und fühlte, daß er eine lächerliche Bemerkung gemacht hatte.
    »Coralie ist wunderbar schön«, rief Joseph Bridau. »Was für ein herrliches Porträt könnte das geben!«
    »Und gut«, versetzte Lucien. »Wahrhaftig, sie ist ein Engel; aber du sollst ihr Porträt malen; nimm sie, wenn du willst, als Modell für die Venezianerin, die von einem alten Weibe dem Senator zugeführt wird.«
    »Alle Frauen, die lieben, sind Engel«, sagte Michel Chrestien.
    In diesem Augenblicke stürzte Raoul Nathan mit einer wahren freundschaftlichen Wut auf Lucien zu, ergriff seine Hände und drückte sie ihm.
    »Mein guter Freund, Sie sind nicht nur ein großer Mann, sondern Sie haben auch Herz, was heutzutage seltener ist als das Genie«, sagte er. »Sie sind ein wahrer Freund. Ich gehöre Ihnen für Leben und Tod und werde nie vergessen, was Sie in dieser Woche für mich getan haben.«
    Lucien fühlte sich auf dem Gipfel der Freude, als er sich von einem so berühmten Manne so schmeichelhaft behandelt sah, und blickte seine drei Freunde vom Zirkel mit einer Art Überlegenheit an. Die Begeisterung Nathans war dem Umstand zu verdanken, daß Merlin ihm einen Korrekturabzug des Artikels zugunsten seines Buches gezeigt hatte, der am Tag darauf im Blatt erscheinen sollte.
    »Ich habe nur unter der Bedingung eingewilligt, den Angriff zu schreiben,« sagte Lucien Nathan ins Ohr, »daß ich selbst darauf antworten darf. Ich gehöre zu Ihren Freunden.«
    Er war entzückt über diesen Vorfall, der seinen Satz, über den Fulgence gelächelt hatte, rechtfertigen mußte, und wandte sich in dieser Stimmung wieder seinen drei Freunden vom Zirkel zu.
    »Das Buch von d'Arthez soll nur kommen, ich bin jetzt in der Lage, ihm nützlich zu sein. Diese Aussicht allein wäre mir Grund genug, bei den Zeitungen zu bleiben.«
    »Bist du dort frei?« fragte Michel.
    »So frei, wie man sein kann, wenn man unentbehrlich ist«, erwiderte Lucien mit falscher Bescheidenheit.
    Gegen zwölf Uhr setzten sich die Gäste zu Tisch, und das Gelage begann. Die Unterhaltung war bei Lucien freier als bei Matifat, denn niemand ahnte, wie verschieden geartet die drei Abgesandten des Zirkels und die Vertreter des Journalismus waren. Diese jungen Geister, die von der

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