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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gewohnheit des Für und des Wider so verderbt waren, gerieten miteinander ins Streiten und warfen einander die schrecklichsten Ausdrücke an den Kopf, die der Journalismus damals erzeugte. Claude Vignon, der der Kritik einen strengen Charakter bewahren wollte, wandte sich gegen die Neigung der kleinen Blätter zum persönlichen Kampf und sagte, die Schriftsteller würden bald so weit sein, daß sie sich selbst in Mißkredit brächten. Lousteau, Merlin und Finot übernahmen nunmehr offen die Verteidigung dieses Systems, das im Journalistenjargon die »Blague« heißt, und behaupteten, das sei wie ein Stempel, mit dem man das Talent zeichnete.
    »Nur wer dieser Probe standhält, ist ein wahrhaft starker Mann«, sagte Lousteau.
    »Und überdies«, rief Merlin, »bedarf es während der Huldigungen, die großen Männern dargebracht werden, wie bei den Triumphen der Römer, eines Schimpfkonzertes.«
    »Ha, ha,« lachte Lucien, »alle, die man verspottet, werden glauben, sie seien Triumphatoren.«
    »Könnte man nicht sagen, das sei dein Fall?« rief Finot.
    »Und unsere Sonette?« sagte Michel Chrestien, »sollten sie uns nicht so viel wert sein wie der Triumph Petrarcas?«
    »Faciamus experimentum in anima vili «, erwiderte Lucien lächelnd.
    »Und wehe denen, die in der Zeitung nicht heruntergemacht werden und denen sie bei ihrem ersten Auftreten Kränze flicht! Sie werden verworfen sein wie Heilige in ihrer Nische, und niemand wird ihnen die geringste Aufmerksamkeit schenken«, rief Vernou.
    »Man wird ihnen sagen, was Champcenetz dem Marquis von Genlis sagte, als dieser seine Frau zu verliebt ansah: »Gehen Sie weiter, guter Mann, man hat Ihnen schon gegeben!« sagte Blondet.
    »In Frankreich tötet der Erfolg«, meinte Finot. »Wir sind in unserm Lande zu eifersüchtig aufeinander, als daß wir nicht die Triumphe der andern vergessen und in Vergessenheit bringen möchten.«
    »Der Widerspruch ist es in der Tat, was in der Literatur Leben gibt«, sagte Claude Vignon.
    »Wie in der Natur, wo es aus zwei einander feindlichen Prinzipien entsteht«, rief Fulgence. »Der Sieg des einen über den andern ist der Tod.«
    »Wie in der Politik«, fügte Michel Chrestien hinzu.
    »Wir sind eben dabei, es zu beweisen«, sagte Lousteau. »Dauriat wird in dieser Woche zweitausend Exemplare von Nathans Buch verkaufen. Warum? Das Buch, das angegriffen wurde, wird gut verteidigt werden.«
    »Wie sollte ein solcher Artikel«, sagte Merlin und zog den Korrekturbogen seines Blattes aus der Tasche, »nicht eine Auflage wegbringen?«
    »Lesen Sie mir den Artikel vor«, rief Dauriat. »Ich bin überall Buchhändler, selbst beim Souper.«
    Merlin verlas den glänzenden Artikel Luciens, der von der ganzen Versammlung mit dem größten Beifall aufgenommen wurde.
    »Hätte nun dieser Artikel ohne den ersten geschrieben werden können?« fragte Lousteau.
    Dauriat zog den Druckbogen des dritten Artikels aus der Tasche und las ihn vor. Finot folgte der Verlesung dieses Artikels, der für die zweite Nummer seiner Zeitschrift bestimmt war, sehr aufmerksam, und in seiner Eigenschaft als Chefredakteur legte er eine übertriebene Begeisterung an den Tag.
    »Meine Herren,« sagte er, »wenn Bossuet in unserem Jahrhundert lebte, hätte er nicht anders geschrieben.«
    »Ich glaube es gern«, sagte Merlin. »Bossuet wäre heutzutage Journalist.«
    »Auf Bossuet II.!« rief Claude Vignon, hob sein Glas und trank Lucien ironisch zu.
    »Auf meinen Kolumbus!« versetzte Lucien und hob sein Glas gegen Dauriat.
    »Bravo!« rief Nathan.
    »Ist das ein Spitzname?« fragte Merlin boshaft und blickte dabei Finot und Lucien an.
    »Wenn Sie so fortfahren,« sagte Dauriat, »können wir Ihnen nicht folgen, und diese Herren«, fügte er hinzu und wies auf Matifat und Camusot hin, »können Sie nicht mehr verstehen. Der Scherz ist wie das Garn, das, wie Bonaparte gesagt hat, zerreißt, wenn es zu fein gesponnen wird.«
    »Meine Herren,« sagte Lousteau, »wir sind Zeugen einer ernsten, unbegreiflichen, unerhörten, wahrhaft überraschenden Tatsache. Bewundern Sie nicht die Geschwindigkeit, mit der unser Freund sich aus einem Provinzialen in einen Journalisten verwandelt hat?«
    »Er ist als Journalist geboren«, sagte Dauriat.
    »Liebe Kinder,« sagte jetzt Finot, der sich erhoben hatte und in der Hand eine Flasche Champagner hielt, »wir haben alle miteinander die Anfänge unseres liebenswürdigen Wirtes in der Laufbahn, in der er unsere Erwartungen übertroffen hat,

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