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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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listig dreinblickten: ein gräßlicher Menschenschlag, wie er auf den Boulevards von Paris wächst; am Vormittag verkaufen sie Sicherheitsketten und goldene Schmucksachen für fünfundzwanzig Sous; am Abend sitzen sie auf dem Olymp und klatschen, und im übrigen übernehmen sie alle schmutzigen Geschäfte, die es in Paris gibt.
    »Das sind die Herren Kenner!« sagte Lousteau lachend, »der Ruhm der Schauspielerinnen und der Dramatiker. Aus der Nähe gesehen, ist der auch nicht schöner als unserer.«
    »Es ist schwer,« erwiderte Lucien, der langsam zu sich kam, »in Paris über irgend etwas Illusionen zu bewahren. Es wird hier alles besteuert, man verkauft alles, man fabriziert alles, selbst den Erfolg.«
    Die Gäste Luciens waren Dauriat, der Direktor des Panorama, Matifat und Florine, Camusot, Lousteau, Finot, Nathan, Hector Merlin und Frau du Val-Noble, Félicien Vernou, Blondet, Vignon, Philipp Bridau, Mariette, Giroudeau, Cardot und Florentine, Bixiou. Er hatte auch seine Freunde vom Zirkel eingeladen. Die Tänzerin Tullia, die, wie man sagte, die Freundin du Bruels war, war auch dabei, aber ohne ihren Herzog, und ferner die Besitzer der Zeitungen, für die Nathan, Merlin, Vignon und Vernou schrieben. Es waren zusammen dreißig Personen, das Speisezimmer Coralies hatte nicht für mehr Platz. Gegen acht Uhr nahmen beim Glanze der hellen Kronleuchter die Möbel, Tapeten und Blumen in dieser Wohnung das festliche Aussehen an, das dem Pariser Luxus das Ansehen einer Feerie gibt. Lucien empfand ein undefinierbares Gemisch aus Glück, befriedigter Eitelkeit und Hoffnung, als er sich als den Herrn dieser Räume sah, er gab sich keine Rechenschaft mehr darüber, wie oder durch wen dieser Zauber geschehen sei. Florine und Coralie, die mit dem entzückenden Geschmack und dem künstlerischen Luxus der Schauspielerinnen gekleidet waren, lächelten unserem Provinzdichter wie zwei Engel zu, die das Amt hatten, ihm die Tore zum Schloß der Träume zu öffnen. Lucien glaubte fast zu träumen. In den paar Monaten hatte sein Leben so plötzlich ein neues Aussehen bekommen, er war so schnell vom äußersten Elend zum größten Luxus übergegangen, daß ihn manchmal, wie die Menschen, die im Schlafe wissen, daß sie nur träumen, Unruhe überkam. Nichtsdestoweniger drückte sein Blick, wenn er auf diese schöne Wirklichkeit sah, eine Zuversicht aus, die von Neidischen vielleicht als abgeschmackter Hochmut bezeichnet worden wäre. Er selbst hatte sich auch verändert. Da er alle Tage in Wonne schwamm, war er blaß geworden, sein Blick hatte einen feucht schmachtenden Ausdruck angenommen, kurz, er sah, wie Frau d'Espard sagte, wie ein Mann aus, der geliebt wird. Aber seine Schönheit siegte über alles. Das Bewußtsein seiner Macht und Stärke sprach aus seinen von Liebe und Erfahrung verklärten Zügen. Er sah endlich die literarische Welt und die Gesellschaft von Angesicht zu Angesicht und glaubte, sich darin als Herr bewegen zu können. Diesem Dichter, den nur die Last des Unglücks zum Nachdenken brachte, barg die Gegenwart keine Sorge. Der Erfolg blähte die Segel seines Bootes, er hatte die Werkzeuge zu seiner Verfügung, die für seine Pläne notwendig waren: ein vornehm eingerichtetes Haus, eine Geliebte, um die ganz Paris ihn beneidete, eine Equipage und schließlich unschätzbare Summen in seinem Tintenfasse. Seine Seele, sein Herz und sein Geist hatten sich in gleicher Weise gewandelt: angesichts so schöner Resultate dachte er nicht mehr daran, sich über die Mittel Skrupel zu machen. Das Leben, das er führte, und sein kostspieliger Haushalt wird den Ökonomisten, die die Tatsachen des Pariser Lebens kennen, mit Recht unglaublich vorkommen, und so wird es nicht unnütz sein, die allerdings sehr gebrechliche Grundlage aufzuzeigen, auf der der materielle Wohlstand der Schauspielerin und ihres Dichters beruhte. Ohne für sich eine Verpflichtung einzugehen, hatte Camusot die Lieferanten Coralies dazu gebracht, ihr wenigstens während eines Vierteljahrs Kredit zu geben. Die Pferde, die Leute, das ganze Leben floß diesen beiden Kindern, die auf den Genuß aus waren und die mit Wonne alles genossen, zu wie durch Hexerei. Coralie nahm Lucien bei der Hand und zeigte ihm schon jetzt den Speisesaal mit seinen glänzenden Gedecken, seinen Kandelabern, die vierzig Kerzen trugen, die ausgesuchten Leckerbissen des Nachtisches und der Tischkarte, die Chevet entworfen hatte. Lucien küßte Coralie auf die Stirn und drückte sie an

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