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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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herausgeben, und wir wahren das Geheimnis.«
    »Wieviel wird dafür bezahlt?« fragte Vernou.
    »Sechshundert Franken! Du zeichnest ›Graf C...‹«
    »Schön!« sagte Vernou.
    »Ihr erhebt also die Ente bis in die Politik?« ließ sich Lousteau vernehmen.
    »Das heißt, den Fall Chabot auf das Gebiet der Ideen übertragen«, nahm Finot das Wort wieder auf. »Man schiebt der Regierung Absichten unter und entfesselt die öffentliche Meinung gegen sie.«
    »Es ist doch eine erstaunliche Sache, daß wir eine Regierung haben, die es uns Käuzen überläßt, die öffentliche Meinung zu machen«, sagte Claude Vignon. »Wenn das Ministerium die Dummheit begeht, in die Arena hinabzusteigen, wird die Trommel gerührt; nimmt es sich zuviel heraus, dann wird der Unwille geschürt, man stachelt die Massen auf. Die Zeitung riskiert nie etwas, während die Macht alles zu verlieren hat.«
    »Frankreich ist null und nichtig bis zu dem Tage, wo die Zeitung geknebelt wird«, fing Vignon wieder an. »Ihr macht von Stunde zu Stunde Fortschritte. Ihr seid die neuen Jesuiten, nur daß ihr keinen Glauben, keinen bleibenden Gedanken, keine Disziplin, keine Einigkeit habt.«
    Alle setzten sich wieder an die Spieltische. Die Morgendämmerung machte bald die Kerzen erblassen.
    »Deine Freunde aus der Rue des Quatre-Vents waren trübselig wie zum Tode Verurteilte«, sagte Coralie zu ihrem Geliebten.
    »Sie waren die Richter«, erwiderte der Poet.
    »Richter pflegen amüsanter zu sein«, meinte Coralie.
    Lucien lebte einen Monat unter Soupers, Diners, Dejeuners und Abendgesellschaften und wurde in einen unbezähmbaren Wirbel von Vergnügungen und leichter Arbeit hineingerissen. Er rechnete nicht mehr. Die Gabe, inmitten der Wirrnisse des Lebens rechnen zu können, ist die Eigenschaft der Intelligenzen von starkem Willen, die den Dichtern, den Schwachen und denen, die bloß Esprit haben, abgeht. Wie die meisten Journalisten lebte Lucien von der Hand in den Mund, gab mehr Geld aus, als er einnahm, und dachte nicht an die regelmäßig wiederkehrenden Anforderungen des Pariser Lebens, die für diese Zigeuner so niederdrückend sind. Seine Kleidung und sein Auftreten wetteiferten mit denen der berühmtesten Dandys. Coralie setzte, leidenschaftlich verliebt, wie sie war, ihren Stolz darein, ihren Abgott zu schmücken. Sie gab ihr Letztes, um ihrem teuern Dichter all den Luxus der eleganten jungen Leute zu verschaffen, den er bei seinem ersten Spaziergang in den Tuilerien sich so sehnsüchtig gewünscht hatte. Er besaß nun wunderbare Spazierstöcke, eine entzückende Lorgnette, diamantenbesetzte Knöpfe, Ringe für eine Morgenkrawatte, Siegelringe und eine große Anzahl kostbarer Westen, um stets zu den Farben des Anzugs, den er trug, eine aussuchen zu können. Er galt bald für einen Dandy. An dem Tage, da er der Einladung des deutschen Diplomaten folgte, erregte seine Metamorphose bei den jungen Leuten der Gesellschaft, die im Reich der Mode den Ton angaben, wie bei Marsay, Vandenesse, Ajuda-Pinto, Maxime de Trailles, Rastignac, dem Herzog von Maufrigneuse, Beaudenord, Manerville und anderen, eine Art verhaltenen Neides. Die Männer der Welt sind untereinander eifersüchtig wie Frauen. Die Gräfin von Montcornet und die Marquise d'Espard nahmen Lucien in ihre Mitte und überhäuften ihn mit Koketterien.
    »Warum haben Sie der Welt den Rücken gekehrt?« fragte ihn die Marquise. »Sie war so sehr geneigt, Sie gut aufzunehmen und zu feiern. Ich muß Ihnen Vorwürfe machen! Sie waren mir einen Besuch schuldig, und ich erwarte ihn noch immer. Ich sah Sie neulich in der Oper, Sie haben mich nicht begrüßt.«
    »Ihre Cousine, gnädige Frau, hat mir so unverkennbar den Abschied gegeben...«
    »Sie kennen die Frauen nicht«, unterbrach Frau d'Espard Lucien.
    »Sie haben das edelste Herz und die zarteste Seele verletzt, die ich kenne. Sie wissen nicht, was Louise alles für Sie tun wollte, und wie fein sie sich ihren Plan ausgedacht hatte. Oh! es wäre ihr geglückt«, sagte sie, als Lucien eine abwehrende Bewegung machte. »Mußte ihr nicht ihr Mann, der nun wirklich, wie zu erwarten stand, an einer Verdauungsstörung gestorben ist, früher oder später ihre Freiheit wiedergeben? Glauben Sie, daß sie Frau Chardon heißen wollte? Der Titel einer Gräfin von Rubempré war es wert, daß man ihn eroberte. Sehen Sie, die Liebe ist eine große Eitelkeit, die sich, besonders wenn es sich um die Ehe handelt, mit allen übrigen Eitelkeiten verständigen muß.

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