Verlorene Illusionen (German Edition)
Betätigungen, die der Sanftmut seines Bruders widerstrebten. Er übernahm die Zornausbrüche, machte unannehmbare Vorschläge, die die seines Bruders noch milder erscheinen ließen, und so gelangten sie, früher oder später, zu ihrem Ziel.
Mit dem Takt, der den Frauen eigentümlich ist, hatte Eva den Charakter der beiden Brüder bald erraten. Sie war demgemäß in Gegenwart so gefährlicher Gegner auf ihrer Hut. David, der von seiner Frau schon eingeweiht worden war, hörte die Vorschläge seiner Feinde mit tiefer Zerstreutheit an: »Verständigen Sie sich mit meiner Frau,« sagte er zu den Cointet und öffnete die Glastür des kleinen Nebenzimmers, um in sein Laboratorium zurückzukehren, »sie weiß mit meiner Druckerei besser Bescheid als ich. Ich bin mit einem Unternehmen beschäftigt, das einträglicher sein wird als dieses armselige Geschäft und das mir die Summen wieder einbringen wird, die ich mit Ihrer Hilfe verloren habe ...«
»Und auf welche Art?« sagte der dicke Cointet lachend.
Eva warf ihrem Manne einen Blick zu, der ihm Klugheit empfehlen sollte.
»Sie werden mir tributpflichtig sein, Sie und alle, die Papier verbrauchen«, antwortete David.
»Und wonach suchen Sie denn?« fragte Benoit-Boniface Cointet.
Als Boniface mit sanftem Ton und einschmeichelnder Miene seine Frage losgelassen hatte, blickte Eva ihren Mann von neuem an, um ihn dazu zu bringen, nichts oder so gut wie nichts zu antworten.
»Ich bin dabei, das Papier fünfzig Prozent unter dem bisherigen Herstellungspreis zu fabrizieren ...«
Und er verließ das Zimmer, ohne den Blick zu beachten, den die Brüder Cointet austauschten und mit dem sie einander sagten: ›Dieser Mann mußte ein Erfinder sein; mit so mächtigen Schultern kann er nicht untätig bleiben!‹ ›Nutzen wir ihn aus!‹ sagte Boniface. ›Und wie?‹ fragte Jean. »David macht es mit Ihnen wie mit mir«, sagte Frau Séchard. »Wenn ich die Neugierige spiele, ist er wahrscheinlich vor meinem Namen auf der Hut und wirft mir diesen Satz zu, der schließlich doch nur ein Programm ist.«
»Wenn Ihr Mann dieses Programm ausführt, wird er sicherlich schneller zu Geld kommen als mit der Druckerei, und ich wundere mich nicht mehr, daß er sie vernachlässigt,« versetzte Boniface und wandte sich der verödeten Werkstatt zu, wo Kolb auf einem Holzbock saß und sein Brot mit einer Knoblauchzehe einrieb; »aber wir würden es nicht gerne sehen, wenn diese Druckerei in die Hände eines tätigen, betriebsamen und ehrgeizigen Konkurrenten käme, und daher würden wir uns gern mit Ihnen verständigen. Wenn Sie zum Beispiel damit einverstanden sind, Ihre Einrichtung für eine bestimmte Summe einem unserer Gehilfen zu vermieten, der unter Ihrer Firma für uns arbeiten würde, wie das in Paris geschieht, dann würden wir den Mann so gut beschäftigen, daß er Ihnen eine anständige Miete bezahlen und kleine Gewinne erzielen könnte.«
»Das kommt auf die Summe an«, erwiderte Eva Séchard. »Was wollen Sie geben?« fügte sie hinzu und blickte Boniface auf eine Weise an, die ihm zu verstehen geben sollte, daß sie seinen Plan völlig verstand.
»Was würden Sie denn verlangen?« fragte Jean Cointet lebhaft.
»Dreitausend Franken für ein halbes Jahr«, erwiderte sie.
»Aber liebe, kleine Frau, Sie sprachen doch davon, Ihre Druckerei für zwanzigtausend Franken zu verkaufen«, versetzte Boniface ganz sanft. »Die Zinsen von zwanzigtausend Franken betragen zu sechs Prozent nur zwölfhundert Franken.« Eva war einen Augenblick ganz benommen; sie merkte jetzt, wie wichtig es in Geschäften sei, schweigen zu können.
»Sie bedienen sich unserer Pressen und unserer Schriften, mit denen ich, wie ich Ihnen gezeigt habe, noch allerlei kleine Geschäfte machen kann,« erwiderte sie, »und wir haben dem alten Herrn Séchard, der uns nicht gerade was schenkt, Miete zu zahlen.«
Nach einem zweistündigen Kampf setzte Eva zweitausend Franken für ein halbes Jahr durch, von denen tausend im voraus bezahlt werden sollten. Als alles abgemacht war, teilten ihr die beiden Brüder mit, es wäre ihre Absicht, die Pacht der Buchdruckerei Cérizet zu übertragen. Eva konnte eine Bewegung der Überraschung nicht zurückhalten.
»Ist es nicht besser, jemanden zu nehmen, der die Werkstatt kennt?« sagte der dicke Cointet.
Eva grüßte die beiden Brüder, ohne zu antworten, und nahm sich vor, Cérizet persönlich zu überwachen.
»So, jetzt sind also unsere Feinde an Ort und Stelle!« sagte
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