Verlorene Illusionen (German Edition)
Firma Didot vortreffliche Gehilfen kennen gelernt, die redlich und unternehmend sind, er wird sich ohne Frage seinen Nachfolger unter den Besten aussuchen ... Ist es nicht mehr wert, sein Geschäft für zwanzigtausend Franken zu verkaufen, die uns tausend Franken Rente geben, als tausend Franken jährlich bei dem Geschäft zu verlieren, das Sie uns machen lassen? Warum haben Sie uns die armselige kleine Spekulation mit unserm Almanach stören müssen, der noch dazu unserer Druckerei gehörte?«
»Aber, Frau Séchard, warum haben Sie uns keine Mitteilung davon gemacht? Wir wären Ihnen nicht in den Weg getreten«, sagte liebenswürdig der eine der beiden Brüder, den man den »großen Cointet« nannte.
»Gehen Sie doch, meine Herren! Sie haben Ihren Almanach erst angefangen, nachdem Sie von Cérizet gehört hatten, daß ich meinen in Arbeit hatte.«
Während sie diese Worte lebhaft hervorstieß, sah sie den großen Cointet an und brachte ihn dazu, die Augen niederzuschlagen. Sie erlangte so die Gewißheit von Cérizets Verrat.
Dieser Cointet, der der Papierfabrikation und den Geldgeschäften vorstand, war ein viel geschickterer Kaufmann als sein Bruder Jean, der zwar die Buchdruckerei mit großer Umsicht leitete, aber dessen Fähigkeiten sich der eines Obersten vergleichen ließen, während Boniface ein General war, dem Jean das oberste Kommando überließ. Boniface, ein dürrer, hagerer Mann mit einem rotgefleckten Gesicht, das gelb wie eine Wachskerze war, mit gekniffenem Mund, und Augen, die denen einer Katze glichen, ließ sich niemals zum Zorn hinreißen: er hörte mit scheinheiliger Ruhe die größten Beschimpfungen an und antwortete mit sanfter Stimme. Er ging zur Messe, zur Beichte und zum Abendmahl. Unter duckmäuserischen Manieren und einem fast schlaffen Äußeren verbarg er die Zähigkeit und den Ehrgeiz des Priesters und die Gier des Handelsmannes, der von dem Durst nach Reichtümern und Ehren verzehrt wird. Schon 1820 wollte der große Cointet alles, was die Bourgeoisie schließlich in der Revolution von 1830 erlangt hat. Von Haß gegen die Aristokratie erfüllt und in religiösen Angelegenheiten gleichgültig, war er ungefähr in der Weise fromm, wie Napoleon ein Anhänger der Bergpartei gewesen war. Sein Rückgrat beugte sich mit bewunderungswürdiger Geschmeidigkeit vor dem Adel und der Verwaltungsbehörde, vor der er sich klein, demütig und zuvorkommend machte.
Für jeden, der sich auf die Geschäfte versteht, war ein Zug dieses Mannes auf der Stelle kennzeichnend: unter dem Vorwand, seine Augen vor der starken Lichtstrahlung in dieser Stadt zu schützen, deren Erdboden und Gebäude weiß sind, und wo die Intensität des Tageslichts noch durch die hohe Lage über dem Meer gesteigert wird, verbarg er seinen Blick hinter einer blauen Brille. Obwohl nur von mittlerer Figur, erschien er doch groß durch seine Magerkeit, die auf eine mit Arbeit überhäufte Natur und ein in beständiger Tätigkeit begriffenes Hirn schließen ließ. Seine jesuitische Physiognomie wurde vervollständigt durch eine platte, graue, lange, nach priesterlicher Art zugestutzte Frisur und seine Kleidung, die seit sieben Jahren aus einer schwarzen Hose, schwarzen Strümpfen, einer schwarzen Weste und einem langen Gehrock aus kastanienfarbenem Tuch bestand. Man nannte ihn den großen Cointet, um ihn von seinem Bruder zu unterscheiden, den man den dicken Cointet hieß, und um den Gegensatz zum Ausdruck zu bringen, der sowohl zwischen den Figuren als auch den Fähigkeiten der beiden Brüder bestand, die übrigens beide in gleicher Weise zu fürchten waren. In der Tat stach der Eindruck, den Jean Cointet machte, der wie ein gutmütiger dicker Bursche aussah, auffallend von dem seines älteren Bruders ab. Er hatte ein flämisches, von der Sonne des Angoumois gebräuntes Gesicht, war kurz und stämmig, dickwanstig wie Sancho und lächelte unaufhörlich. Er war nicht nur in Physiognomie und Verstandsanlagen seinem Bruder unähnlich, sondern auch in den Anschauungen, die nahezu liberal waren. Er war linkes Zentrum, ging nur des Sonntags zur Messe und stand auf bestem Fuße mit den liberalen Kaufleuten. Einige Kaufleute in Houmeau behaupteten, daß diese Verschiedenheit der Ansichten zwischen den beiden Brüdern ein abgekartetes Spiel sei. Der große Cointet wußte sich der anscheinenden Derbheit seines Bruders sehr geschickt zu bedienen, den er gebrauchte wie eine Keule. Jean hatte die Obliegenheit der harten Worte und aller der
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