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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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würden den Geizhals rühren; aber er blieb unzugänglich. Schließlich wollte sie, da sie den kalten Blick der Cointet, Petit-Clauds und Cérizets an ihm wahrnahm, seinen Charakter studieren und seine Absichten erraten; aber das war vergebliche Mühe! Vater Séchard blieb immer zwischen zwei kleinen Räuschen und hatte sich dahinter verschanzt. Die Trunkenheit ist ein doppelter Schleier. Unter ihrem Schutz – sie war ebensooft vorgetäuscht wie wirklich – versuchte der Alte, Eva Davids Geheimnis zu entlocken. Bald schmeichelte er seiner Schwiegertochter, bald drohte er ihr. Als Eva ihm antwortete, sie wüßte nichts, sagte er zu ihr: »Ich werde mein ganzes Vermögen vertrinken, ich werde es auf Leibrenten geben.«
    Diese schmählichen Kämpfe ermatteten das arme Opfer, und sie hatte, um ihrem Schwiegervater nicht respektlos zu begegnen, sich schließlich aufs Schweigen verlegt. Als sie eines Tages zum Äußersten getrieben war, sagte sie zu ihm: »Aber, Vater, es gibt eine sehr einfache Art, alles zu erfahren: bezahlen Sie Davids Schulden, dann kommt er wieder, und Sie können sich miteinander verständigen.«
    »Ah, das ist alles, was ihr von mir wollt! Gut, daß ich das weiß.«
    Der alte Séchard, der nicht an seinen Sohn glaubte, glaubte an die Cointet. Die Cointet, an die er sich wendete, blendeten ihn absichtlich und sagten ihm, es handelte sich bei den Forschungen seines Sohnes um Millionen.
    »Wenn David beweisen kann, daß ihm seine Versuche gelungen sind, werde ich nicht zögern, meine Papierfabrik in eine Gesellschaft umzuwandeln und Ihrem Sohne seine Entdeckung in entsprechendem Werte anzurechnen«, sagte der große Cointet zu ihm.
    Der mißtrauische Alte zog, indem er mit den Arbeitern immer wieder ein Gläschen trank, viele Erkundigungen ein; er fragte, indem er sich dumm stellte, Petit-Claud so gut aus, daß er schließlich auf den Verdacht kam, die Cointet steckten hinter Métivier; er vermutete, sie hätten den Plan, die Druckerei Séchard zu ruinieren und sich von ihm zahlen zu lassen, indem sie ihn mit der Entdeckung köderten; denn der alte Mann aus dem Volke konnte nicht ahnen, daß Petit-Claud mit in der Verschwörung war, und kam nicht auf den Gedanken, daß all die Netze nur ausgestellt waren, um sich früher oder später dieses schönen industriellen Geheimnisses zu bemächtigen. Eines Tages endlich beschloß der Alte, der außer sich war, daß er das Schweigen seiner Schwiegertochter nicht brechen konnte und daß er nicht einmal von ihr zu erfahren vermochte, wo David verborgen war, die Tür zu der Werkstatt, die zum Gießen der Walzen bestimmt war, zu erbrechen; er hatte schließlich erfahren, daß sein Sohn dort seine Versuche angestellt hatte. Am frühen Morgen stieg er in den Hof hinab und fing an, an dem Schloß zu arbeiten.
    »Was machen Sie denn da, Papa Séchard?« rief ihm Marion zu, die frühmorgens aufstand, um in ihre Fabrik zu gehen, und nun mit einem Satz an der Feuchtkammer war.
    »Bin ich nicht hier zu Hause, Marion?« antwortete der Alte, der sich schämte, ertappt zu sein.
    »So! Werden Sie nun auf Ihre alten Tage zum Diebe? Und dabei sind Sie doch nüchtern... Ich werde alles brühwarm der Frau erzählen.«
    »Schweig, Marion«, bat der alte Mann und zog ein Sechsfrankenstück aus der Tasche. »Da, nimm...«
    »Ich werde schweigen, aber versuchen Sie es nicht noch einmal,« erwiderte Marion und drohte ihm mit dem Finger, »sonst erzähle ich es ganz Angoulême.«
    Sowie der Greis gegangen war, stieg Marion zu ihrer Herrin hinauf.
    »Denken Sie, Frau Séchard, ich habe Ihrem Schwiegervater sechs Franken abgeluchst da sind sie.«
    »Und wie hast du das gemacht?«
    »Er wollte wahrhaftig die Kessel und die Vorräte des Herrn sehen, als ob er damit hinter das Geheimnis gekommen wäre. Ich wußte wohl, daß in der kleinen Küche nichts mehr war, aber ich habe ihm angst gemacht, als hätte er seinen Sohn bestehlen wollen, und er hat mir einen Doppeltaler gegeben, damit ich schweige.«
    In diesem Augenblick brachte Basine ihrer Freundin freudig einen Brief Davids, den sie ihr heimlich übergab. Er war auf herrlichem Papier geschrieben und lautete:
    »Geliebte Eva! Du bist die erste, der ich auf dem ersten Bogen Papier, das mir auf Grund meines Verfahrens gelungen ist, schreibe. Die Aufgabe, den Brei in der Bütte zu leimen, ist mir gelungen! Das Pfund Zeug, selbst wenn ich annehme, daß für die Pflanzen, die ich brauche, guter Boden in Kultur genommen wird, kommt auf fünf

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