Verlorene Illusionen (German Edition)
einander.
Einige Tage nach der Einschließung Séchards hatte Petit-Claud den großen Cointet in seiner Papiermühle aufgesucht.
»Ich habe mein Bestes getan,« sagte er zu ihm; »David hat sich freiwillig in ein Gefängnis begeben, das uns unbekannt ist, und sucht dort in Ruhe seine Erfindung zu verbessern. Wenn Sie Ihr Ziel nicht erreicht haben, ist es nicht meine Schuld; werden Sie Ihr Versprechen halten?«
»Ja, wenn wir ans Ziel kommen«, erwiderte der große Cointet. »Der alte Séchard ist seit einigen Tagen hier, er hat uns Fragen über die Herstellung des Papiers vorgelegt; der alte Geizhals ist hinter die Erfindung seines Sohnes gekommen, er will Nutzen davon haben; es besteht also einige Hoffnung, die Gründung einer Gesellschaft durchzusetzen. Sie sind der Anwalt des Vaters und Sohnes ...«
»Und soll der heilige Geist sein, der sie euch verrät«, fügte Petit-Claud lachend hinzu.
»Ganz recht!« erwiderte Cointet. »Wenn es Ihnen gelingt, David entweder ins Gefängnis oder durch einen Gesellschaftsvertrag in unsere Hände zu bringen, sollen Sie Fräulein de la Haye heiraten.«
»Ist das Ihr Ultimatum?« fragte Petit-Claud.
» Yes, « versetzte Cointet, »da wir schon in fremden Sprachen reden.«
»Hören Sie meines in einer Sprache, die Sie verstehen«, erwiderte Petit-Claud trocken.
»Nun, so reden Sie«, versetzte Cointet mit neugieriger Miene.
»Stellen Sie mich morgen Frau von Senonches vor, sorgen Sie dafür, daß ich etwas Positives habe, kurz, halten Sie Ihr Versprechen, oder ich bezahle Séchards Schulden und werde sein Teilhaber, indem ich meine Praxis wieder verkaufe. Ich will mich nicht foppen lassen. Sie haben geradeheraus zu mir gesprochen, ich rede in der nämlichen Sprache. Ich habe getan, was ich sollte, tun Sie jetzt das Ihrige. Sie haben alles, ich habe nichts. Wenn ich nicht ein Unterpfand Ihrer Aufrichtigkeit habe, spiele ich dasselbe Spiel wie Sie.«
Der große Cointet nahm seinen Hut, seinen Schirm und dazu sein Jesuitengesicht, brach auf und sagte zu Petit-Claud, er solle ihm folgen.
»Sie sollen sehen, lieber Freund, ob ich Ihnen den Boden nicht vorbereitet habe«, sagte der Kaufmann zu dem Advokaten.
In einem Augenblick hatte der schlaue und geriebene Papierhändler die Gefahr, in der er schwebte, erkannt. Er sah, Petit-Claud war ein Mann, den man ehrlich bedienen mußte. Er hatte schon, um sich auf alles vorzubereiten und um sein Gewissen zu beruhigen, unter dem Vorwand, dem früheren Generalkonsul Rechenschaft über die Finanzlage Fräulein de la Hayes zu geben, einige Worte fallen lassen.
»Das ist so eine Sache mit Françoise,« hatte er gesagt, »mit dreißigtausend Franken Mitgift kann ein Mädchen heutzutage keine großen Ansprüche stellen.«
»Wir können ja darauf zurückkommen«, hatte Francis du Hautoy geantwortet. »Mit der Abreise von Frau von Bargeton ist die Stellung von Frau von Senonches eine ganz andere geworden: wir können Françoise mit irgendeinem braven Landedelmann verheiraten.«
»Da kommt nichts Gutes dabei heraus«, hatte der Papierhändler geantwortet und seine frostige Miene angenommen. »Nein, verheiraten Sie sie doch mit einem ehrgeizigen, fähigen jungen Mann, den Sie protegieren können und der seiner Frau eine angenehme Stellung schafft.«
»Wir werden sehen,« hatte Francis wiederholt, »vor allem muß die Patin befragt werden.«
Nach dem Tode des Herrn von Bargeton hatte Louise von Nègrepelisse das Haus in der Rue du Minage verkaufen lassen. Frau von Senonches, die sich zu eng in ihrer Wohnung fühlte, bestimmte ihren Mann, dieses Haus, das die Wiege der ehrgeizigen Wünsche Luciens war und in dem die Szene aus dem Provinzleben begonnen hat, zu kaufen. Zéphirine von Senonches hatte den Plan gefaßt, das Erbe des königlichen Regiments, das Frau von Bargeton geführt hatte, anzutreten, einen Salon zu haben, kurz, die große Dame zu sein. In der vornehmen Gesellschaft von Angoulême war seit dem Duell des Herrn von Bargeton mit Herrn von Chandour eine Spaltung eingetreten. Auf der einen Seite standen die, die die Unschuld Louisens von Nègrepelisse behaupteten, auf der andern Seite die, die zu den Verleumdungen Stanislaus von Chandours hielten. Frau von Senonches erklärte sich für die Bargeton und gewann zunächst alle Anhänger dieser Partei. Als sie dann in das Haus Bargeton übergesiedelt war, machte sie sich die Gewohnheiten vieler zunutze, die seit so vielen Jahren dorthin zum Spielen gegangen waren. Sie empfing
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