Verlorene Illusionen (German Edition)
theatralische Aufzug entzückte Lucien. Herr du Châtelet richtete an diese Königin galant widerwärtig übertriebene Komplimente, und sie lächelte vor Vergnügen, so glücklich war sie darüber, in Luciens Anwesenheit gepriesen zu werden. Sie tauschte mit ihrem lieben Dichter nur einen Blick und antwortete dem Steuerdirektor mit einer Höflichkeit, die ihn bestürzte, weil sie ihn ihrer Intimität ausschloß.
Inzwischen trafen die Gäste so nach und nach ein. Es kamen zunächst der Bischof und sein Generalvikar, zwei würdige und feierliche Gestalten, die einen starken Gegensatz bildeten. Monseigneur war groß und mager, sein Vikar kurz und dick. Alle beide hatten glänzende Augen, aber der Bischof war blaß und sein Stellvertreter hatte ein Gesicht, das von der lebhaftesten Gesundheit gerötet war. Beide hatten nur spärliche Gesten und Bewegungen. Sie traten behutsam auf; ihre Zurückhaltung und ihr Schweigen schüchterten ein; sie galten für sehr geistvoll.
Den beiden Priestern folgten Frau von Chandour und ihr Gatte. Das waren ungewöhnliche Wesen, und wer die Provinz nicht kennt, mochte versucht sein, sie für Phantasiegebilde zu halten. Der Gatte Amélies, der Frau, die sich zur Gegnerin der Frau von Bargeton aufgeworfen hatte, Herr von Chandour, den man Stanislaus nannte, war mit fünfundvierzig Jahren noch schlank, spielte sich auf den jungen Mann hinaus und hatte ein Gesicht, das wie ein Sieb aussah. Seine Krawatte war immer so geknüpft, daß sie zwei drohend herausstehende Enden hatte, von denen das eine hoch hinauf bis zum rechten Ohr ging, das andere sich in die Tiefe bis zu dem roten Band seines Ordenskreuzes neigte. Seine Rockschöße waren breit zurückgeschlagen. Seine tief ausgeschnittene Weste ließ eine aufgeblähte, gestärkte Hemdenbrust sehen, die mit geschmacklos überladenen Busennadeln geschlossen war. Kurz, sein ganzer Anzug sah so exzentrisch aus, daß er die größte Ähnlichkeit mit einer Karikatur besaß und die Fremden, die ihn sahen, sich des Lächelns nicht erwehren konnten. Stanislaus betrachtete sich fortwährend von oben bis unten mit einer Art Selbstzufriedenheit, zählte seine Westenknöpfe, verfolgte die Wellenlinien seiner enganschließenden Hose und liebkoste seine Beine mit einem Blick, der zärtlich an den Spitzen seiner Stiefel hängen blieb. Wenn er aufgehört hatte, sich so zu betrachten, suchten seine Augen einen Spiegel, er prüfte, ob seine Frisur in Ordnung war, sah forschend mit glücklichen Augen nach den Frauen, wobei er einen Finger in die Westentasche steckte, sich zurückbog und sich ganz auf die Seite drehte. Diese Hahnenkampfstellung sicherte ihm in dieser aristokratischen Gesellschaft, deren Lieblingsgeck er war, seinen Erfolg. Meistens waren seine Gespräche mit verblümten Zoten gespickt, wie sie im achtzehnten Jahrhundert beliebt waren. Diese abscheuliche Art, sich zu unterhalten, verschaffte ihm bei den Frauen einigen Erfolg: er brachte sie zum Lachen. Über Herrn du Châtelet fing er an sich zu beunruhigen. In der Tat bemühten sich die Frauen, die sich über die Mißachtung, die sie von dem Gecken von der Steuerverwaltung erfuhren, nicht beruhigen konnten, die gereizt waren durch das Ansehen, das er sich gab, als sei es unmöglich, ihn aus seinem Marasmus zu reißen, und die sein Ton eines blasierten Sultans ausstachelte, noch lebhafter um ihn als bei seiner Ankunft, seitdem Frau von Bargeton sich in den Byron von Angoulême verliebt hatte. Amilie war eine kleine Frau im Stil der Schmierenkomödiantin, dick, weiß, mit schwarzen Haaren; sie übertrieb alles, sprach sehr laut, bewegte immer den Kopf, auf dem sie im Sommer Federn, im Winter Blumen trug, im Kreise hin und her, als ob sie mit ihm radschlagen wollte; sie sprach gut, aber sie konnte keinen Satz vollenden, ohne ihm das Keuchen eines Asthmas zum Geleit zu geben, das sie nicht eingestehen wollte.
Herr von Saintot, Astolf genannt, der Präsident der Landwirtschaftsgesellschaft, ein großer, schwerer Mann mit gerötetem Gesicht, wurde von seiner Frau hereingeschleppt, die große Ähnlichkeit mit einem vertrockneten Farnkraut hatte; man nannte sie Lili, was aus Elise abgekürzt war. Dieser Name, der auf etwas Kindliches schließen ließ, stach grell gegen den Charakter und die Manieren der Frau von Saintot ab, die eine feierliche, überaus fromme Frau und beim Spiel sehr schwer zu behandeln und zänkisch war. Astolf galt für einen großen Gelehrten. Er war zwar dumm wie ein Karpfen, aber
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