Verlorene Liebe
Tag nicht mehr stillstehen. Die Presse weiß, daß Sie Kathleens Schwester und in der Stadt sind.«
»›Kriminalautorin entdeckt Leiche ihrer Schwester.‹ – Eine zündende Schlagzeile, was?« Sie nickte und starrte auf den Apparat. »Ich werde mit den Reportern schon fertig, Ed.«
»Wäre vielleicht besser, wenn Sie für ein paar Tage in ein Hotel ziehen.«
»Nein.« Grace schüttelte den Kopf. Sie hatte zwar noch nicht darüber nachgedacht, aber jetzt, da er das Thema angeschnitten hatte, stand ihr Entschluß fest. »Ich muß im Haus bleiben. Machen Sie sich keine Sorgen, ich weiß, wie man mit der Presse umgehen muß.« Es gelang ihr, ein Lächeln aufzusetzen, bevor er widersprechen konnte. »Sie erwarten doch wohl nicht ernsthaft, daß ich das hier esse, oder?«
»Doch.« Er stellte die Schüssel vor sie hin und reichte ihr einen Löffel. »Heute brauchen Sie mehr als nur kalte Spaghetti.«
Grace beugte sich über den Brei und schnüffelte daran. »Riecht ja köstlich«, murmelte sie wenig begeistert. Doch dann fiel ihr ein, daß sie Ed etwas schuldig war, und sie schob folgsam den Löffel in die Masse. »Muß ich auf die Wache kommen und irgend etwas unterschreiben?«
»Sobald Sie dazu in der Lage sind. Immerhin war ich ja die ganze Zeit hier, und das vereinfacht die Dinge erheblich.«
Grace nickte und probierte das Porridge. Es schmeckte ganz anders als bei ihrer Mutter. Ed mußte irgend etwas hinzugegeben haben, Honig oder braunen Zucker. Aber Haferbrei war Haferbrei. Grace beschloß, es lieber mit dem Kaffee zu versuchen.
»Ed, können Sie mir eine ehrliche Antwort geben?«
»Wenn es mir möglich ist.«
»Glauben Sie, ich meine, sagt Ihnen Ihre Berufserfahrung, daß der Täter sich vielleicht zufällig für dieses Haus entschieden hat?«
Letzte Nacht, nachdem er überpüft hatte, ob Grace schlief, hatte er sich noch einmal Kathleens Arbeitszimmer vorgenommen. Doch da war nur wenig Wertvolles zu finden gewesen. Am ehesten noch die neue, unbenutzte elektronische Schreibmaschine. Er erinnerte sich, an Kathleens Hals ein goldenes Medaillon gesehen zu haben, das beim Pfandleiher gut und gerne seine fünfzig bis sechzig Dollar bringen würde. Was sollte er Grace jetzt sagen? Sie mit einer Lüge beruhigen? Nein, er las in ihren Augen, daß sie die Wahrheit bereits wußte.
»Das glaube ich nicht.«
Grace nickte und starrte in den Kaffee. »Ich muß die Schule anrufen. Vielleicht kann die Mutter Oberin mir eine Kirche und einen Priester empfehlen. Was meinen Sie, wann Kathy freigegeben wird?«
»Lassen Sie mich ein paar Telefonate führen, dann geht es etwas schneller.« Er hätte gern mehr für sie getan, aber ihm fiel nur ein, ihre Hand zu drücken. Was für eine unbeholfene Geste, dachte er. »Ich würde Ihnen gerne helfen.«
Sie blickte auf seine Rechte. Ihre beiden Hände konnten darin leicht verschwinden. Kraft ging von der Hand aus, diese Rechte schien alles abwehren zu können. Grace betrachtete sein Gesicht. Auch hier war Stärke zu entdecken und Verläßlichkeit. Bei dem Gedanken daran verzog sie ihren Mund zu einem bitteren Lächeln. Das Leben gab einem so wenig, auf das man sich wirklich verlassen konnte.
»Das weiß ich.« Sie führte seine Rechte an ihre Wange.
»Und Sie haben mir schon so viel geholfen. Die nächsten Schritte muß ich allein tun.«
Ed wollte sie noch nicht verlassen. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so für eine Frau empfunden zu haben. Als ihm das bewußt wurde, beschloß er, lieber gleich zu gehen. »Ich schreibe Ihnen die Nummer vom Revier auf. Rufen Sie mich an, wenn Sie bereit sind, zu uns zu kommen.«
»Okay. Danke für alles. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.«
»Draußen halten sich immer noch Beamte auf. Trotzdem würde ich mich besser fühlen, wenn Sie hier nicht allein blieben.«
Grace hatte schon zu lange allein gelebt, um sich davor zu fürchten. »Keine Sorge, meine Eltern kommen bald.«
Sie wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, und stand dann auf, um zum Telefon zu gehen.
»Niemand hat etwas gehört oder gesehen.« Ben lehnte an seinem Wagen und zündete sich eine Zigarette an. Er und Ed waren den ganzen Morgen von Haus zu Haus gelaufen und hatten die Bewohner befragt. Jedesmal mit dem gleichen Ergebnis. Im Moment hatte er gerade eine kleine Pause eingelegt und betrachtete die Gegend mit ihren müden Häusern und kleinen Vorgärten.
Wo waren bloß die Wichtigtuer? fragte er sich. Und warum sah man hier
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