Verlorene Liebe
unverfälschten Leidenschaft auch nur annähernd gleich.
Er fühlte sich krank. Und er fühlte sich stark und unbesiegbar.
Was hatte ihn mehr erregt, der Sex oder das Töten?
Jerald lachte leise, während er sich auf seinem naßgeschwitzten Laken drehte. Woher sollte er das wissen, wenn er beide Erfahrungen zum erstenmal gemacht hatte? Vielleicht war ja gerade die faszinierende Kombination von beidem das Besondere gewesen. Wie auch immer, er würde es herausfinden müssen.
Für einen kurzen, kalten Moment überlegte er, ob er gleich nach unten gehen und eine der Dienerinnen im Schlaf ermorden sollte. Als die Vorstellung sein Blut aber nicht in Wallung brachte, verwarf er die Idee ebenso rasch und kalt wieder. Jerald mußte noch ein paar Tage damit warten und erst alles sorgfältig und logisch planen. Eines stand aber jetzt schon fest: Eine Dienerin zu ermorden, die ihm im Grunde nichts bedeutete, würde ihn bei weitem nicht so erregen, nicht so wie bei Desiree.
Er drehte sich auf die Seite und fing an zu weinen. Eigentlich hatte er ihr gar nicht wehtun wollen. Jerald hatte sie nur lieben und ihr zeigen wollen, wie viel er ihr zu geben hatte. Aber sie hatte einfach nicht aufgehört zu schreien, und das hatte ihn in den Wahnsinn getrieben, hatte ihn die Höhen einer Leidenschaft kosten lassen, von deren Existenz er nichts gewußt hatte. Ein unbeschreibliches Erlebnis. Er fragte sich, ob sie vor ihrem Tod noch diese wilde, mächtig anschwellende Flut gespürt hatte. Jerald hoffte es für sie, schließlich hatte er ihr sein Allerbestes geben wollen.
Und nun war Desiree nicht mehr. Obwohl sie in seinen Händen gestorben war und er dabei eine unerwartete Erregung erlebt hatte, war er jetzt über diesen Verlust tieftraurig. Nie wieder würde er ihre Stimme und ihre lockenden, verheißenden Worte vernehmen.
Er mußte eine Neue finden. Schon bei dem Gedanken daran fingen seine Muskeln an zu zittern. Eine weitere Stimme, die nur zu ihm sprach. Ganz gewiß war es ihm nicht bestimmt, einen solchen allumfassenden Höhepunkt nur einmal in seinem Leben erfahren zu dürfen. Jerald würde seine Desiree wiederfinden, ganz gleich, wie sie sich dann nennen mochte.
Der junge Mann rollte sich auf die andere Seite und verfolgte, wie das erste Licht der Dämmerung durch sein Fenster kroch. O ja, er würde sie finden.
5. Kapitel
Grace wachte beim ersten Tageslicht auf. Sie erlebte keinen kurzen Moment der Orientierungslosigkeit oder der lähmenden Verwirrung. Ihre Schwester war tot, und diese nüchterne Tatsache hämmerte unerbittlich in ihren Gedanken, während sie sich aus dem Bett schob und damit fertig zu werden versuchte.
Kathleen war nicht mehr, und sie konnte nichts daran ändern. Genauso wenig wie sie etwas gegen all das unternehmen konnte, was zwischen ihr und ihrer Schwester schiefgelaufen war. Jetzt, im hellen Tageslicht, konnte sie diese Wahrheit noch viel weniger akzeptieren, da der Ansturm heißen Kummers zu einem trockenen, dumpfen Schmerz verebbt war.
Sie waren Schwestern gewesen, aber niemals Freundinnen. Sie hatte Kathleen nie richtig gekannt, zumindest nicht so, wie es bei anderen Menschen der Fall war, die zu ihrem Freundeskreis gehörten. Nie war ihr das Privileg zuteil geworden, in die Träume und Hoffnungen, die Fehlschläge und die Verzweiflung ihrer Schwester eingeweiht zu werden. Selbst als Kinder hatten sie nicht kichernd Geheimnisse oder kleine Schrecknisse miteinander geteilt. Und Grace hatte nie ausdauernd genug versucht, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken.
Und nun würde sie es nie mehr erfahren. Grace vergrub das Gesicht in den Händen. Nur für einen Moment, um Kraft für den nächsten Schritt zu sammeln. Nun würde sie nie mehr Gelegenheit haben herauszufinden, ob diese Kluft jemals hätte überwunden werden können. Für sie gab es jetzt nur noch eins zu tun: sich mit den Details auseinanderzusetzen, die der Tod in seiner kalten Art für die Hinterbliebenen zurückgelassen hatte.
Grace schob die Decke fort, die Ed liebenswerterweise über sie gelegt hatte. Sie mußte ihm danken. Er hatte mehr getan, als nur bei ihr zu bleiben und an ihrer Seite zu wachen, bis sie eingeschlafen war. Jetzt brauchte sie erst einmal einen Eimer Kaffee, um den Hörer abnehmen und all die erforderlichen Anrufe tätigen zu können.
Sie wollte nicht vor der Tür von Kathleens Arbeitszimmer stehen bleiben, sie wollte einfach daran vorbeigehen, ohne einen Blick darauf zu werfen. Und doch hielt sie wie unter
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