Verlorene Liebe
dieses Namens.«
»Aber Sie kannten eine Roxanne«, brummte Ben.
Markowitz’ blasse Gesichtsfarbe nahm einen Stich ins Grüne an. »Ich verstehe nicht, was Roxanne mit einer Mary Grice zu tun haben soll.«
»Es handelt sich bei beiden um ein und dieselbe Person«, entgegnete Ben und sah, wie Markowitz hart schluckte.
Der Mann hatte es gewußt. Spätestens, seit er heute morgen die Zeitung gelesen hatte, war es ihm bewußt geworden. Aber bis zu diesem Moment hatte er es nicht wahrhaben wollen. Doch die beiden Polizisten, die ihm jetzt gegenübersaßen, ließen keinen Zweifel mehr zu. »Ich betreue einige der umsatzstärksten Unternehmen in dieser Stadt. Etliche meiner Klienten sitzen im Senat oder im Kongreß. Ich kann mir wirklich keinen Skandal leisten.«
»Wir können Sie aufs Revier vorladen«, entgegnete Ed, »oder aber mit der nötigen Diskretion vorgehen. Kommt ganz auf ihre Kooperation an.«
»Ach, es ist dieser verdammte Druck.« Markowitz nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Ohne seine Gläser wirkte er hilflos wie ein Blinder. »Für ein paar Monate im Jahr dreht sich mein ganzes Leben um nichts anderes als um Abschreibungs- und Absetzmöglichkeiten. Sie können sich nicht vorstellen, was da auf einen zukommt. Niemand will freiwillig auch nur einen Dollar ans Finanzamt abführen. Und ehrlich gesagt, man kann den Leuten auch keinen Vorwurf daraus machen. Die meisten meiner Klienten verfügen über sechsstellige Einkommen und sehen natürlich überhaupt nicht ein, warum sie fünfunddreißig Prozent und mehr davon der Regierung in den Rachen werfen sollen. Sie verlangen von mir, alle möglichen Schlupfwinkel für sie zu finden.«
»Das ist sicher hart«, stimmte Ben ihm zu und beschloß, einen der tiefen Designersessel auszuprobieren. »Uns interessieren aber Ihre Beweggründe nicht, die Dienste von Fantasy in Anspruch zu nehmen. Wir möchten vielmehr, daß Sie uns genau berichten, was vergangene Nacht geschehen ist, während sie mit Mary Grice telefoniert haben.«
»Mit Roxanne. Es fällt mir leichter, von ihr als Roxanne zu sprechen. Sie hatte eine wunderbare Stimme, und sie war so … so abenteuerlustig. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit für Frauen – seit meiner Scheidung. Aber die ist Schnee von gestern. Wie dem auch sei, mit Roxanne habe ich eine für mich befriedigende Form der Beziehung aufbauen können. Dreimal in der Woche habe ich sie angerufen und konnte mich danach wieder über meine Einkommensteuerbescheide hermachen.«
»Was geschah letzte Nacht, Mr. Markowitz«, drängte Ed.
»Ja, richtig. Nun, wir hatten noch nicht allzu lange miteinander geplaudert, und ich fing gerade an, mich der Sache wirklich hinzugeben, zu entspannen, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er zog ein Taschentuch aus der Hose und fing an, sich das Gesicht abzutupfen. »Und plötzlich fing sie an, mit einem anderen zu sprechen. So als befände sich noch jemand bei ihr. Sie sagte so etwas wie: ›Wer sind Sie?‹ und ›Was wollen Sie hier?‹ Zuerst dachte ich, sie meine mich damit, und das sei nur ein Scherz von ihr. Also habe ich etwas möglichst Witziges entgegnet. Doch dann stieß sie einen lauten Schrei aus, und mir fiel beinahe der Hörer aus der Hand. Roxanne rief: »Lawrence, helfen Sie mir! Rufen Sie die Polizei oder sonstwen!‹« Markowitz hüstelte, so als reize es seine Stimmbänder, diese Worte zu wiederholen. »Ich habe ihr Fragen gestellt, weil mir das alles so unwirklich vorkam. Und ich habe versucht, sie zu beruhigen. Aber dann hörte ich die andere Stimme.«
»Eine Männerstimme?« Ed notierte sich etwas in sein kleines Buch.
»Ja, ich denke schon. Er sagte, wenn ich mich recht erinnere, folgendes: ›Es wird dir gefallen‹. Und er nannte sie beim Namen.«
»Roxanne?« fragte Ben.
»Ja, genau. Ich hörte, wie er ihren Namen nannte, und dann …« Er bedeckte das Gesicht mit dem Tuch und schnaufte für einen Moment. »Bitte, Sie müssen das verstehen. Man könnte mich als ganz gewöhnlichen Mann bezeichnen, der sich bemüht, die Aufregungen und Komplikationen in seinem Leben auf ein Minimum zu begrenzen. Ich leide nämlich an niedrigem Blutzucker.«
Ed nickte ihm mitfühlend zu. »Berichten Sie uns einfach, was Sie dann gehört haben.«
»Ach, es waren ganz schreckliche Geräusche. So wie schweres Atmen und Schläge. Roxanne schrie nicht mehr, sie ächzte nur noch. Nein, eigentlich war es mehr Röcheln. Da habe ich aufgelegt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, und so habe ich
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