Verlorene Liebe
hätte ich beinahe vergessen: Deine Mutter hat angerufen.«
Ed blieb ein weiteres Mal stehen. »Und?«
»Sie ist eine sehr nette Dame. Und sie hat sich wirklich gefreut, als sich eine weibliche Stimme meldete. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich wollte sie nicht enttäuschen. Also habe ich ihr gesagt, daß wir fest miteinander liiert seien und uns schon Gedanken darüber gemacht hätten, vor den Traualtar zu treten, bevor das Baby käme.«
Weil er sich nicht sicher war, ob ihr Lächeln bedeutete, daß sie ihn nur auf den Arm nehmen wollte, schüttelte er lediglich den Kopf. »Vielen Dank, Grace, das hast du großartig gemacht.«
»Keine Ursache. Deine Schwester hat übrigens einen neuen Freund. Er ist Anwalt für Körperschaftsrecht. Der Bursche hat ein eigenes Haus und auch noch ein Condo in einer Stadt mit Namen Ocean City. Sieht sehr vielversprechend aus zwischen den beiden.«
»Gott«, konnte er nur stöhnen.
»Und der Blutdruck deiner Mutter beläuft sich zur Zeit auf hundertzwanzig zu achtzig. Soll ich dir was zu trinken holen?«
»Ja, tu das bitte.«
Sie marschierte in die Küche und fing an zu summen. Ed war wirklich ein Schatz. Sie fand in der Tüte eine Flasche Weißwein. Und er hatte auch Geschmack. Grace fing an auszupacken. Sie stieß auf ein klumpiges Gebilde, das entfernt an ein Bündel Spargel erinnerte. Vorsichtig schnüffelte sie daran und verzog dann das Gesicht. Geschmack, ja, aber nicht auf allen Gebieten.
Grace beförderte des weiteren Blumenkohl, Schalotten und Erbsen zutage. Das einzige, was sie halbwegs mit Freude erfüllte, war ein Beutel mit Weintrauben. Sie zögerte nicht, sich sofort davon zu bedienen.
»Sieht großartig aus.«
Grace schob sich noch eine Traube in den Mund, drehte sich um und sah ihn in der Tür stehen.
»Das Badezimmer. Hast du wirklich prima hinbekommen.«
»Ich bin halt sehr geschickt mit den Händen.« Sie hielt ihm das spargelähnliche Bündel entgegen. »Was macht man denn damit?«
»Kochen.«
Sie legte es auf die Anrichte. »Das habe ich befürchtet. Ich habe dich gar nicht gefragt, was du zu trinken haben möchtest.«
»Das kann ich doch auch selbst erledigen. Bist du heute überhaupt dazu gekommen, dir etwas Ruhe zu gönnen?«
»Ich fühle mich prächtig.« Sie sah ihm zu, wie er eine Flasche Apfelsaft aus dem Kühlschrank holte. Sofort bekam sie Durst. »Ich bin viel zum Nachdenken gekommen, während ich die Tapete angebracht und mit deiner Mutter ein Schwätzchen gehalten habe.«
»Und worüber hast du nachgedacht?« Er füllte einen Krug mit Apfelsaft, besorgte sich dann eine Flasche Wodka und gab zwei Gläschen davon hinein.
»Damit bekommst du jeden dazu, sein Vitamin C zu schlucken.«
»Möchtest du lieber einen Apfel?«
»Nein, danke. Also gut, wenn du schon fragst: Ich habe mir überlegt, ob ich nicht für eine Weile in Kathys Haus einziehen sollte. Dann habe ich mehr Ruhe, mich um alles zu kümmern.«
Ed, der gerade dabei war, zwei Gläser zu füllen, stellte den Krug abrupt ab. Sosehr es ihm als Mann gefallen hätte, wenn sie noch eine Weile bliebe, wußte doch der Polizist in ihm, daß sie besser schnellstmöglich nach New York zurückkehrte. »Worum willst du dich denn noch kümmern?«
»Nun, da muß einiges mit ihrem Anwalt beredet werden, und dann gibt es da auch noch ihre Versicherung.« Das könnte sie genauso gut auch von New York aus erledigen. Grace sah ihm an, daß er das wußte und sie durchschaute. Ein törichter Versuch von ihr, ihn an der Nase herumzuführen. Auf der anderen Seite fiel es ihr auch verdammt schwer, unaufrichtig zu ihm zu sein – was sie zutiefst verblüffte. Früher hatte es ihr nie Mühe bereitet, es mit der Wahrheit nicht so ganz genau zu nehmen. »Also gut, das ist nicht der eigentliche Grund. Ich kann einfach nicht von hier fort, ohne daß alles aufgedeckt ist. Kathy und ich haben uns nicht allzu nahegestanden. Es ist mir nie leichtgefallen, das zuzugeben, aber so war es nun einmal. Wenn ich hierbliebe und herausfinde, wer ihr das angetan hat, dann habe ich etwas für uns beide getan. Ich kann nicht einfach von hier verschwinden, so als sei nichts gewesen, Ed. Erst wenn ich alle Antworten kenne, bin ich bereit, Washington zu verlassen.«
Er wünschte, daß er ihre Beweggründe nicht so gut verstehen könnte. »Es ist aber nicht deine Aufgabe, den Mörder deiner Schwester aufzuspüren, sondern meine.«
»Ja, für dich ist es ein Job, für mich aber ein dringendes Bedürfnis. Begreifst
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