Verlorene Liebe
weiß nicht, wozu Jonathan fähig wäre, wenn ich ihm Kevin wegnehmen würde.«
»Kath, Liebes, du bist doch seine Mutter. Und du hast Rechte. Ich bin mir sicher, daß es hier in Washington ein paar ausgezeichnete Anwälte gibt. Wir suchen einige von ihnen auf und lassen uns beraten. Es gibt doch bestimmt einiges, was du unternehmen kannst.«
»Ich habe mir bereits einen Anwalt genommen«, erklärte Kathleen und mußte einen Schluck trinken, weil ihr Mund wie ausgetrocknet war. Der Wein half ihr, die Worte leichter über die Zunge zu bringen. »Und ich habe einen Privatdetektiv beauftragt. Es wird bestimmt nicht einfach, und man hat mir auch schon gesagt, daß die ganze Geschichte mich viel Zeit und Geld kosten wird. Aber so habe ich wenigstens eine Chance.«
»Ich bin sehr stolz auf dich.« Grace legte die Hände auf die ihrer Schwester und verschränkte die Finger ineinander. Die Sonne war fast untergegangen, und in der Küche breiteten sich Schatten aus. Grace’ graue Augen leuchteten jedoch auf: »Liebes, Jonathan Breezewood III. erwartet eine unliebsame Überraschung, wenn er es mit den McCabes zu tun bekommt. Ich verfüge hier auch über die eine oder andere Verbindung.«
»Nein, Grace, ich muß sehr vorsichtig vorgehen. Niemand darf von der Aktion erfahren, nicht einmal Mom und Dad. Ich darf kein Risiko eingehen.«
Grace dachte einen Moment darüber nach, was sie über Familien wie die Breezewoods wußte. Alteingesessene Familien, Geldadel, Klans mit langen Tentakeln. »Also gut, vermutlich ist es am besten so. Ich kann dir trotzdem helfen. Anwälte und Detektive kosten ein Vermögen. Und ich habe mehr Geld, als ich brauche.«
Zum zweiten Mal seit dem Wiedersehen füllten sich Kathleens Augen mit Tränen. Doch diesmal gelang es ihr, sie zurückzuhalten. Sie wußte, daß Grace über ein kleines Vermögen verfügte, und sie wollte ihr das auch nicht übelnehmen. Doch genau dieses Gefühl beherrschte sie, auch wenn ihr bewußt war, daß ihre Schwester es sich redlich verdient hatte. O Gott, warum konnte sie es ihr nicht einfach gönnen? »Ich muß da allein durch.«
»Kath, jetzt ist nicht der richtige Moment für falschen Stolz. Du kannst eine Schlacht wie diese nicht mit einem Lehrergehalt gewinnen. Und bloß, weil du dich wie eine Idiotin benommen und dich ohne einen Penny von Jonathan hast vor die Tür setzen lassen, mußt du noch lange nicht meinen, du könntest jetzt auf meine finanzielle Hilfe verzichten.«
»Ich wollte nichts von Jonathan haben. Ich habe die Ehe mit genau dem verlassen, was ich in sie eingebracht habe: dreitausend Dollar.«
»Ich will dir jetzt gar nicht groß mit der Frauenemanzipation kommen, aber der Umstand bleibt bestehen,
daß du dir nach acht Jahren Ehe mindestens eine Abfindung verdient hast. Und hier geht es doch nur darum, daß ich deine Schwester bin und dir helfen will.«
»Aber nicht mit Geld. Du kannst es falschen Stolz nennen, aber es ist sehr wichtig für mich, die Sache allein durchzustehen. Davon abgesehen habe ich mir eine Beschäftigung nach Feierabend gesucht.«
»Was denn? Etwa Tupperware-Partys abhalten? Oder denkfaulen Kindern Nachhilfe geben? Oder gehst du gar auf den Strich?«
Zum erstenmal seit Wochen lachte Kathleen befreit auf. Sie schenkte für sie beide Wein nach. »Du hast ins Schwarze getroffen.«
»Du verkaufst wirklich Tupperware?« Grace brauchte eine halbe Sekunde, um das zu verdauen. »Führen sie immer noch diese kleinen Cornflakes-Schüsseln mit den undurchlässigen Deckeln?«
»Keine Ahnung. Ich vertreibe keine Tupperware.« Sie nahm einen langen Schluck. »Ich arbeite in Sachen Liebe.«
Sie erhob sich, um das Licht einzuschalten, und Grace mußte dringend etwas trinken. Es kam selten genug vor, daß Kathleen einen Witz machte. Deshalb wußte sie jetzt nicht, ob sie lachen sollte. Sie entschied sich dafür, erst einmal nachzufragen: »Hast du nicht vorhin gesagt, du seist an Sex nicht mehr interessiert?«
»Auf mich persönlich trifft das auch voll und ganz zu, wenigstens für den Augenblick. Ich bekomme für einen siebenminütigen Anruf sieben Dollar, und wenn ich einen Stammkunden dranhabe, muß er insgesamt zehn ausspucken. Die meisten meiner Anrufer sind Stammkunden. Im Durchschnitt führe ich pro Abend zwanzig Telefonate, und das an drei Tagen in der Woche. Hinzu kommen fünfundzwanzig bis dreißig Anrufe an den Wochenenden. So komme ich in der Woche locker auf neunhundert Dollar.«
»Großer Gott!« Grace’ erster Gedanke
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