Verlorene Liebe
gerade. »Laß mich dir helfen, Kath. Sag mir, was ich für dich tun kann.«
»Ach, da ist nichts.« Diese Worte auszusprechen, kostete sie mehr Kraft, als sie je zuzugeben bereit gewesen wäre, aber wenigstens hörten die Tränen auf. »Ich mache mich jetzt besser an den Salat.«
»Nein, tust du nicht.« Grace nahm ihren Arm und führte sie zu dem kleinen Küchentisch. »Setz dich hin. Es ist mir ernst, Kath.«
Obwohl sie ein Jahr älter war als ihre Schwester, gehorchte sie. So war es zwischen ihnen immer schon gewesen, und beide konnten es sich nicht anders vorstellen. »Ich möchte eigentlich nicht darüber reden, Grace.«
»Dann scheint es ja wirklich schlimm um dich zu stehen. Wo bewahrst du den Korkenzieher auf?«
»In der obersten Schublade links vom Ausguß.«
»Und die Gläser?«
»Im zweiten Fach im Schrank neben dem Kühlschrank.«
Grace entkorkte die Flasche. Obwohl draußen bereits die Dämmerung einsetzte, machte sie sich nicht die Mühe, in der Küche das Licht einzuschalten. Sie stellte ein Glas vor ihre Schwester und füllte es bis fast an den Rand. »Jetzt trink. Ist ein ziemlich edler Tropfen.« Sie fand ein leeres Mayonnaiseglas (an dem Platz, an dem ihre Mutter sie aufzubewahren pflegte) und schraubte den Deckel ab, um ihn als Aschenbecher zu benutzen. Grace wußte, wie sehr Kathleen das Rauchen ablehnte, und sie hatte sich auch fest vorgenommen, sich in dieser Hinsicht zurückzuhalten. Aber wie die meisten Vorsätze brach sie auch diesen ohne Anflug eines schlechten Gewissens. Sie zündete sich eine Zigarette an, füllte das zweite Glas und nahm am Tisch Platz. »Erzähl mir alles, Kath. Sonst muß ich dich so lange piesacken, bis du endlich den Mund aufmachst.«
Dazu war sie durchaus fähig, wußte Kathleen. Und sie hatte das schon gewußt, bevor sie zugestimmt hatte, daß Grace sie besuchen kam. Möglicherweise war das sogar der Grund dafür gewesen, dem Ansinnen ihrer Schwester zuzustimmen. »Ich wollte die Trennung nicht. Und du brauchst mir jetzt gar nicht vorzuwerfen, ich sei blöd, weil ich an einem Mann hänge, der mich nicht will. Ich weiß nämlich selbst, wie dumm das von mir ist.«
»Ich halte dich bestimmt nicht für dumm.« Grace stieß den Zigarettenrauch aus und verbarg sich schuldbewußt dahinter, denn sie hatte ihrer Schwester schon mehr als einmal mangelnde Intelligenz unterstellt. »Du liebst Jonathan und Kevin. Sie haben dir gehört, und du willst sie behalten.«
»Ich glaube, das trifft den Punkt.« Sie nahm einen großen Schluck. Grace hatte wie so oft recht. Der Wein war wirklich gut. Es widerstrebte ihr zutiefst, das zuzugeben, und sie hatte sich lange genug dagegen gewehrt, aber jetzt war es soweit: Sie mußte dringend mit jemandem reden. Und dieser jemand sollte Grace sein; denn ihre Schwester würde trotz aller Differenzen, die zwischen ihnen bestanden hatten und immer noch bestanden, bedingungslos auf ihrer Seite stehen. »Eines Tages kam der Moment, an dem ich der Trennung zustimmte, zustimmen mußte.« Sie war noch nicht in der Lage, das Wort »Scheidung« auszusprechen. »Jonathan war … grausam zu mir.«
»Was soll das heißen?« Grace’ leicht rauchige Stimme war wie Stacheldraht. »Hat er dich mißhandelt, gar geschlagen?« Sie war aufgesprungen und bereit, sich sofort ins nächste Flugzeug nach Kalifornien zu setzen.
»Es gibt mehrere Arten von Grausamkeit«, antwortete Kathleen müde. »Zum Beispiel seelische. Er hat mich gedemütigt. Da waren andere Frauen, recht viele sogar. Oh, Jonathan war überaus diskret. Ich glaube, nicht einmal seine besten Freunde haben davon gewußt. Aber er hat dafür gesorgt, daß ich es erfahre … hat mich geradezu mit der Nase drauf gestoßen.«
»Das tut mir so leid.« Grace setzte sich wieder hin. Sie wußte, daß es eigentlich Kathleens Art gewesen wäre, ihm dafür eine runterzuhauen. Und wenn sie darüber nachdachte, mußte sie zugeben, daß sie und ihre Schwester wenigstens in puncto ehelicher Untreue die gleiche Meinung vertraten.
»Du hast ihn doch nie gemocht.«
»Habe ich auch nicht, und es tut mir auch nicht leid.« Grace schnippte heruntergefallene Asche in den Mayonnaisedeckel.
»Das spielt ja jetzt auch keine Rolle mehr. Wie dem auch sei, als ich in die Trennung eingewilligt habe, hat Jonathan deutlich klargemacht, daß sie zu seinen Bedingungen erfolgen würde. Er wollte die Vereinbarungen aufsetzen, und darüber sollte es keine Diskussion geben. Acht Jahre meines Lebens sind ausgelöscht, und
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