Verlorene Liebe
ertrinken kann? Was um alles in der Welt …« Er bemerkte Grace. »Oh, hallo.«
»Hi, Ben. Wir haben uns gerade mit Spachtelmasse beworfen. War lustig. Hallo, Tess. Ich freue mich, Sie zu sehen. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich bei Ihnen zu bedanken.«
»War doch eine Selbstverständlichkeit.« Die Psychologin stellte sich auf die Zehenspitzen, um Ed einen Begrüßungskuß zu geben. »Tut mir ehrlich leid. Ich habe Ben mehrmals erklärt, er soll vorher anrufen und nicht unangemeldet hereinschneien.«
»Macht doch nichts. Setzt euch.«
»Aber gern, hier stehen ja genug Kisten und Bretterstapel herum.« Ben war seiner Frau beim Platznehmen behilflich und zog dann eine Flasche Wein aus dem Mantel. »Du hast doch hoffentlich Gläser, oder?«
Ed nahm die Flasche und runzelte die Stirn. »Was ist denn los? Normalerweise bringst du doch höchstens ein paar Dosen Bier mit, wenn du dich nicht gleich an meinem Kühlschrank bedienst.«
»Das soll eine Art Dankeschön im voraus sein, weil wir dich als Patenonkel auserwählt haben.« Ben nahm Tess’ Hand. »In sieben Monaten, einer Woche und drei Tagen ist es soweit. Na ja, ungefähr.«
»Ein Baby? Ihr beide bekommt Nachwuchs?« Ed nahm seinen Partner in den Arm. »Hast du ja wirklich fein hinbekommen.« Dann schloß er zwei Finger um Tess’ Handgelenk, so als wollte er ihren Puls messen. »Wie geht es dir.«
»Ich fühle mich großartig. Ben ist zwar beinahe aus den Schuhen gekippt, aber mir geht es gut.«
»Ich bin keineswegs aus den Schuhen gekippt. Vielleicht habe ich ein paar Minuten lang wirres Zeug geredet, aber ich bin nicht zusammengebrochen. Paß auf, daß sie sitzen bleibt, während ich die Gläser hole, ja?« forderte er Ed auf.
»Ich helfe Ihnen beim Suchen«, sagte Grace, nahm die Flasche und folgte Ben in die Küche. »Sie fühlen sich jetzt bestimmt wie auf dem Gipfel.«
»Ich fürchte, ich habe es noch gar nicht richtig begriffen. Eine Familie.« Er fing an, die Schränke zu durchstöbern, während Grace den Korkenzieher besorgte. »Früher habe ich eigentlich nie einen Gedanken daran verschwendet, einmal eine Familie zu haben. Aber dann trat wie aus heiterem Himmel Tess in mein Leben, und seitdem hat sich alles verändert.«
Grace hielt den Kopf gesenkt, während sie den Korken herauszog. »Ist doch komisch, wie eine Familie dem eigenen Leben einen ganz neuen Sinn gibt, nicht wahr?«
»Ja, und übrigens, wir sollten das Sie lassen.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Wie kommst du denn mit allem zurecht?«
»Ganz gut. Die meiste Zeit jedenfalls. Am schwersten fällt es mir immer noch, mir klarzumachen, daß sie uns verlassen hat und ich sie nie wiedersehen werde.«
»Ich kenne das Gefühl. Ehrlich. Ich habe nämlich meinen Bruder verloren.«
Als sie den Korken aus der Flasche hatte, konnte sie ihn endlich ansehen. Auch seine Augen waren voller Freundlichkeit. Er mochte dynamischer sein als Ed, auch rastloser und sprunghafter, aber er besaß die gleiche Gutmütigkeit. »Wie bist du denn damit fertig geworden?«
»Schlecht. Eine fantastische Zukunft erwartete ihn, und ich habe ihn aus tiefstem Herzen bewundert. Gut, wir waren nicht in allen Dingen einer Meinung, aber wenn es darauf ankam, haben wir zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Kaum hatte er die High School hinter sich, mußte er schon nach Vietnam.«
»Oh, tut mir leid. Muß schrecklich sein, jemanden, den man liebt, in einem Krieg zu verlieren.«
»Er ist nicht in Vietnam gefallen, er hat dort nur seinen Glauben an alles Gute und Richtige verloren.« Ben nahm die Flasche und fing an, die Gläser zu füllen. Wie seltsam, dachte er, sich nach so vielen Jahren so genau daran erinnern zu können. »Als er zurückkehrte, war er völlig verändert. In sich gekehrt, verbittert, verloren. Er hat Rauschgift genommen, um alles verdrängen zu können, aber das hat ihm natürlich nicht geholfen.« Ben sah Grace an, daß sie an Kathy denken mußte, vor allem an die Valium-Fläschchen, die überall im Haus versteckt gewesen waren. »Ist ziemlich schwierig, einem solchen Menschen keinen Vorwurf daraus zu machen, sich für den scheinbar einfachen Weg entschieden zu haben.«
»Ja, ganz richtig, das ist es. Was ist aus deinem Bruder geworden?«
»Am Ende konnte er alles nicht mehr ertragen und hat seinem Leben ein Ende gemacht.«
»Oh, mein Gott. Es tut mir so leid.« Die Tränen, die sie seit Tagen zurückgehalten hatte, rannen jetzt aus ihren Augen. »Ich will das nicht,
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