Verlorene Liebe
aus einer großen Familie kommst.«
»Woher willst du denn wissen, daß wir zu Hause eine große Familie waren?«
»Deine Mutter hat davon gesprochen. Du hattest zwei Brüder und eine Schwester. Beide Brüder haben längst geheiratet. Dabei sind Tom und … äh, Scott jünger als du. Und du hast, Moment, drei Neffen. Du kommst mir vor wie Donald Duck und Tick, Trick und Track.«
Ed konnte nur den Kopf schütteln. »Vergißt du eigentlich nie etwas?«
»Nie. Deine Mutter wünscht sich endlich eine Enkeltochter, aber bislang hat ihr keines ihrer Kinder den Gefallen getan. Und sie hofft, du gibst endlich die Verbrecherjagd auf und fängst in der Baufirma deines Onkels an.«
Da ihm dieses Thema nicht behagte, fing er gleich an, Tapetennägel in eine Zierleiste zu klopfen. »Anscheinend habt ihr beide euch länger unterhalten.«
»Eigentlich hat sie die ganze Zeit geredet.« Ed errötete ein wenig, aber gerade genug, daß Grace ihn am liebsten umarmt hätte. »Wie dem auch sei, es passiert mir häufiger, daß Menschen mir Geheimnisse aus ihrem Leben anvertrauen. Ich weiß auch nicht warum.«
»Weil du gut zuhören kannst.«
Sie lächelte und hielt das insgeheim für ein dickes Lob, mehr, als er vermutlich ahnte. »Warum hast du eigentlich keine Lust, mit deinem Onkel Häuser hochzuziehen? Ich sehe doch, wie geschickt du mit den Händen bist.«
»Kleine Werkeleien im Haus entspannen mich.« Genauso wie die Nummer von Merle Haggard, die jetzt aus dem Radio ertönte. »Wenn ich aber damit meinen Lebensunterhalt verdienen müßte, würde mich das bald langweilen.«
Grace biß sich auf die Zunge und klatschte lieber Spachtelmasse in eine Fuge. »Du hast hier jemanden vor dir, der weiß, wie langweilig der Polizeidienst sein kann.«
»Kommt einem schon manchmal wie eine Sisyphusarbeit vor. Hast du als Kind jemals Puzzles gelegt, ich meine diese Riesendinger mit fünfundzwanzigtausend Teilen oder was weiß ich?«
»Aber klar. Doch nach einer Weile habe ich immer angefangen zu mogeln. Hat die, die sich nach mir darangesetzt haben, immer an den Rand des Wahnsinns getrieben, wenn sie feststellen mußten, daß ich von einigen Teilen die eine oder andere Ecke abgerissen hatte, um es passend zu machen.«
»Ich habe tagelang an so einem Monstrum gesessen und keinen Moment die Lust daran verloren, mich vom Rand zum Zentrum vorgearbeitet. Je mehr Teile ich legen konnte, desto mehr Details traten zutage. Und je mehr Details zu sehen waren, desto näher befand man sich am Zentrum.«
Sie nickte, weil sie genau begriff, was er damit sagen wollte. »Hast du denn nie den Wunsch verspürt, direkt ins Zentrum vorzustoßen, ohne dich lange mit den Details aufhalten zu müssen?«
»Nein, denn dann mußt du viel mehr Zeit dafür aufwenden, die losen Enden zu verknoten und das eine vermaledeite Teil zu finden, das alles zusammenfügt und das Gesamtbild ergibt.« Er hatte den letzten Nagel eingeklopft und trat jetzt einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. »Der Moment, in dem man das letzte Teil legt und endlich das ganze Bild zu sehen bekommt, erfüllt einen doch mit enormer Befriedigung. Und was den Burschen angeht, hinter dem wir zur Zeit her sind, nun, da haben wir halt einfach noch nicht alle Puzzleteile zusammen. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Sobald wir alle Details vor uns liegen haben, schieben wir sie so lange herum, bis sie ein Bild ergeben.«
»Funktioniert so etwas immer?«
Er drehte sich zu ihr um. Ihr Gesicht war voller Gips.
Sie schien die Frage ernst gemeint zu haben. Ed wischte etwas von der weißen Masse von ihrer Wange. »Wie gesagt, ist eine Frage der Zeit.« Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. »Vertrau mir.«
»Das tue ich doch.« So liebe Augen, und so starke Hände. Sie lehnte sich an ihn, um mehr Geborgenheit von ihm zu erhalten. »Ed …« Grace mußte jetzt allen Mut zusammennehmen. Doch dann hämmerte unten jemand an die Tür, und sie schloß frustriert die Augen. »Hört sich so an, als würden wir Besuch bekommen.«
»Ja. Mit ein bißchen Glück kann ich ihn binnen fünf Minuten wieder hinauskomplimentieren.«
Grace zog die Brauen hoch. In seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der sie erfreute und erregte. »Detective, das könnte heute noch dein Glückstag werden.« Sie nahm seine Hand, und zusammen liefen sie die Treppe hinunter. Kaum hatte Ed die Tür geöffnet, da schob Ben auch schon Tess herein.
»Gott, Ed, ist dir eigentlich bewußt, daß man hier draußen
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