Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
sagte er und drohte mit der Faust der anderen Hand.
„Ich bin kein Lügner“, sagte er und rappelte sich auf die Beine.
„Warum sucht die Polizei nach dir? Hmh?“ Matej versuchte, in dem Gesicht des Jungen, zu lesen. Er zog ihn zu sich, damit er in den fahlen Kerzenschein trat.
„Das geht dich einen Scheiß an!“ Der Junge fand seine Selbstsicherheit.
„Ok, dann verpiss dich hier! Los!“
„Ich bin hier aus der Gegend und euch habe ich hier noch nicht gesehen. Ich sehe gar keinen Grund, mich zu verpissen.“
Matej griff erneut zu. „Schon vergessen?“ Drohend hob er wieder seine Faust.
Der Junge blinzelte. Hob die Hand zum Schutz.
„Wir haben heute einen Typen um seine Brieftasche erleichtern wollen, doch dann hat er unerwartet Hilfe erhalten.“
*
Bad Elster
Muskeln, Sehnen, Kraft. Zuversicht.
Ein kraftvoller Zug . Ein Weiterer. Das Wasser brachte ihr Zuversicht. Wie ein Eisbrecher pflügte sie durch den Swimmingpool.
Wende. Unter Wasser. Auftauchen. Atemlos.
Fünfzehn Bahnen. Erfrischendes, kaltes Wasser. Sie schwamm so lange, bis sich langsam eine wohlige Erschöpfung einstellte. Erholung.
Sie sehnte sich nach Erholung.
Weg von hier. Sobald der Mörder von Jolanka gefunden war. Jolanka.
Kornblumenblau.
Carola Pütz erreichte den Beckenrand. Sie zog sich hinauf und drückte sich mit einem Schwung aus dem Wasser. Schüttelte ihr Haar wie ein Hund, der aus dem Wasser stieg.
Wo war sie? Die Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, doch trübte das Chlor ihre Sicht.
Sie ging voran. Nach ein paar unbeholfenen Schritten stolperte sie beinahe über ihren Bademantel. Die Leichtigkeit des Wassers war Vergangenheit.
Pütz fluchte, sammelte den Bademantel auf und rubbelte sich mit dem Handtuch ab. Dann schlüpfte sie in ihrem trockenen Badeanzug.
Als sie sich schließlich in Bewegung setzte und die Treppe hinaufstolperte, fiel ihr sofort auf, dass der Strom am Ende des Ganges, in der Eingangshalle und wohl auch in der ganzen Klinik immer noch ausgefallen war.
Wieso dauert das so lange?
Vorsichtig tastete sie sich an der Wand entlang, bis sich vor ihr der Raum öffnete. Die Rezeption war immer noch verwaist. Die Kerze schien nicht einmal heruntergebrannt zu sein.
Also warst du auch nicht solange schwimmen.
Pütz durchquerte die Halle. Sie presste das feuchte Handtuch an sich. Ihr Unterkiefer mahlte unaufhörlich.
Warum fühlte sie nur plötzlich diese Anspannung?
Niemand konnte in die Zukunft sehen. Doch sie wünschte sich, es zu können.
Als Carola Pütz sich wieder der wunderbar verzierten Holztüre näherte, um die Eingangshalle zu verlassen, trat jemand langsam und heimlich in den Gang, der vom Swimmingpool zur Rezeption führte.
*
Cheb
Matej stand so ruckartig auf, dass Pavel sofort wieder zusammenzuckte. Instinktiv ruckte er auf der Matratze nach hinten.
„Keine Angst, ich werde dir nichts tun, wenn Du weiter erzählst“, sagte er. Matej ging herüber zu dem alten Ofen, um ein Stück einer alten Palette hineinzulegen. Das Feuer durfte die Nacht über nicht ausgehen. Der Wind pfiff überall durch die Dachziegel hindurch. Neben dem Wind machte ihnen auch der Regen zu schaffen. Es regnete an vielen Stellen durch. Doch selbst die Eimer, die dort standen, um das Wasser aufzufangen, waren alt und verrostet.
„Was soll ich dir denn noch erzählen?“, fragte Pavel und fuhr sich mit der Hand durch seine schwarzen Locken. Er blickte zu Tereza und Eliska herüber, die auf der Matratze gegenüber saßen. Eliska hing mit müden Augen im Arm ihrer großen Schwester. Die beiden hatten bisher noch kein Wort gesprochen, nur mit großen Augen ihrem Bruder und Pavel zugehört.
Die Kleine hatte anfänglich große Angst vor dem unbekannten Jungen gehabt, doch schien sie sich nun beruhigt zu haben. Wie zum Beweis seiner Idee fielen ihre Augen zu.
„Ich glaube dir einfach nicht, dass es hier eine Frau geben soll, die solch einem Typen hier helfen würde. Was soll das für eine Frau gewesen sein?“
Pavel überlegte. „Es hatte fast den Anschein, als würden sich diese beiden Erwachsenen bereits kennen.“
Matej kam vom Ofen zurück, setzte sich wieder neben Pavel. Diesmal sprach er leiser, da er mit einem Blick bemerkt hatte, dass Eliska eingeschlafen war. Darüber war er froh. Er und seine Schwester hatten die Befürchtung gehabt, dass Eliska kein Auge zu machen würde.
„Eine Roma soll einem Typen helfen, der durch ein Viertel von uns läuft? Was war das für
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