Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Noch die Klinke in der Hand bemerkte sie die Veränderung sofort.
Keine Antwort.
Dunkelheit.
Pütz tastete sich voran. Der Polizist war nicht auf seinem Stuhl.
„Hallo?“
Keine Antwort.
Wie es schien, war das Licht wieder einmal in der ganzen Klinik ausgefallen.
Der Beamte wird zur Rezeption gegangen sein, um den Stromausfall zu melden.
Sie langte nach innen und tastete nach dem Lichtschalter. D er Schalter blieb ohne Funktion. Mehrmals. Das Licht war überall ausgefallen.
Pütz überlegte nur kurz. Sie fingerte in der Schublade nach ihrem Badeanzug und einem großen Badetuch, fischte den Schlüssel von der Kommode und verschloss die Tür.
Vorsichtig tastete sie sich voran. Den Flur entlang, durch den langen, verglasten Korridor, von dort aus nach rechts, entlang des nächsten Flures, der an der schön verzierten Holztüre endete, hinter der schließlich die Eingangshalle lag.
Pütz drückte die Messingklinke nieder, so wie sie das schon so oft getan hatte. Doch diesmal bemerkte sie, dass sie leicht quietschte. Pütz zuckte sogar zusammen, so unerwartet war dieses kleine Geräusch für sie.
Auch die Eingangshalle war in ein totales Schwarz gekleidet. Auch die Außenbeleuchtung war tot.
An der Rezeption flackerte nur eine kleine Kerze, die das Messingschild , auf er der Name des Nachtportiers stand, in ein blasses Gold tauchte. Sonst war selbst dort nichts Lebendiges zu sehen.
Pütz mochte die Dunkelheit, doch jetzt schauderte es ihr ein wenig. Schnell bog sie neben der Rezeption in den Gang ein, der, vorbei an dem Büro von Bademeister Konstantin Ferner, zum Schwimmbad führte.
Das Schwimmbad.
Würde sie es schaffen, eben genau an diesem Ort, der einen feigen Mord an einem unschuldigen Mädchen erlebt hatte, die Ruhe finden, die sie heute brauchte? Um in den Schlaf zu finden?
Langsam stieg sie die Stufen herunter, schob einen Fuß vor den nächsten, bis die den Beckenrand ertastete. Kalt spürte sie die Fliesen unter ihren Füßen. Sie trat einen Schritt zurück, schloss die Augen, bis sie die Gegenwart des Wassers spürte.
„Wenn Du ein Element für dich gewinnen willst, dann musst Du das Element kennenlernen, es spüren, eins mit ihm werden“, hatte ihr Schwimmtrainer im Verein zu ihr gesagt.
Eins mit einem Element sein. Eins mit dem Wasser sein.
Das war lange her. Ein halbes Leben. Aber einige Dinge , die man einst gelernt hatte, verlernte man nie. Nie mehr.
Sie streifte den Morgenmantel von den Schultern. Kein Blick würde hier ihre Nacktheit erhaschen können. Schnell streifte sie den Badeanzug über, tastete mit kleinen Schritten nach dem Beckenrand und stürzte sich mit einem gewagten Sprung in die Dunkelheit.
*
Cheb
Jemand sah hinein. In das Versteck. Matej fühlte, wie sich seine Fäuste ballten.
Es konnte in Fremder sein. Es musste ein Fremder sein.
Als Nächstes spürte er, wie sich seine Muskeln anspannten. Ein gewaltiger Satz. Dann hört er sich schreien. Aus tiefster Seele.
Sein e Fäuste schlugen zu, er trat mit beiden Füßen blindlinks in das Halbdunkel.
Jemand fiel zu Boden.
„Hör doch auf“, wimmerte jemand.
Matej hielt den nächsten Schlag zurück, seine Faust schwebte bedrohlich über dem Gesicht des Mannes.
„Wer bist Du?“ Seine eigene Stimme klang plötzlich so fremd.
Laut. Beinahe brutal.
Seine linke Hand griff nach dem Unbekannten und erwischte ihn am Kragen. Er zog ihn hoch.
Nur undeutlich von der Kerze beleuchtet, blickte er in das angstverzerrte Gesicht. Der Mann war ein Junge. Vor Schreck geweitete Augen.
„Bitte! Nicht schlagen!“
„Wer bist Du?“, donnerte Matej.
„Ich bin Pavel“, antwortete der Junge mit dünner Stimme. Matej ließ von ihm ab, er stützte sich auf seine Ellenbogen.
„Und was tust Du hier?“
„Mich verstecken … vor der Polizei!“
„Nein, hier geht das nicht, hier sind wir bereits.“
„Wir?“
Matej spürte, dass er vielleicht einen Fehler begangen hatte. Konnte er dem Jungen trauen?
„Lass ihn, Matej“, sagte Tereza aus der Dunkelheit heraus, „Wenn es stimmt, dass er vor der Polizei geflohen ist, dann kann er doch hier bei uns bleiben.“
Matej drehte sich um. Jetzt war es zu spät. Hätte er seine Schwester noch nicht bemerkt gehabt bisher, so spätestens jetzt. Er kniff seine Lippen fest zusammen.
Dann reichte er dem auf dem Boden kauernden Pavel seine Hand. Er hatte erkannt, dass der Junge kaum älter war, als er selber.
„Steh auf. Aber wenn ich mitbekomme, dass Du gelogen hast“,
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