Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
suchen. Nicht auszudenken, wenn sie dabei wieder einen Herzinfarkt erleiden würde. Aber sie war sich darüber im Klaren dieses Risiko einzugehen.
„Waren das gerade Prostituierte?“, fragte sie, als sie an zwei leicht bekleideten Damen vorbeifuhren. Sie blickte zurück, dann zu ihrem Begleiter herüber.
Winterhalter nickte. „Die waren aber schon im fortgeschrittenen Alter. Man findet auch wesentlich Jüngere.“
„Moment, die waren höchstens zwanzig. Widerlich. Ich kann es nicht nachvollziehen, was Männer daran finden, mit Minderjährigen oder gar kleinen Kindern Sex zu haben“, sagte sie angewidert.
„Ich habe auch lange gebraucht, bis ich mich überhaupt an diese Recherche getraut habe“, sagte er, „Man taucht dabei in ein Geflecht aus Diskriminierung, Armut, sozialer Ausgrenzung und Verelendung ein. Und man stellt seine eigene Herkunft oft in frage. Und auch die europäische Politik an sich. Ich weiß, als Schweizer habe ich gut reden. Aber vieles liegt hier im Argen.“
„Was hat den Ausschlag gegeben, es doch zu tun?“, fragte sie neugierig.
„Ich habe im Internet einen Bericht über eine Frau gefunden, die sich auf die Seite, der Ausgebeuteten stellt. Eine Streetworkerin, die in Cheb tätig ist. Sie ist es, die ich noch diese Woche treffen werde.“
„Darf ich Sie dahin begleiten?“ , fragte sie und wusste, dass eine Ablehnung recht wahrscheinlich war.
„Mal schauen, hinterher klauen sie mir meinen Artikel“, versuchte er , zu scherzen. Das war kein Nein. Eher positiv.
Winterhalter bog nach rechts in eine Straße ab. Da la g er vor ihnen. Der Vietnamesen-Markt von Asch. Er parkte den Saab. Das Geräusch der Scheibenwischer verstummte. Es wurde abgelöst durch das leise Prasseln der Tropfen auf der Frontscheibe. Sie hörten dem Geräusch zu. Keiner sagte etwas. Selbst das Schweigen war nicht unangenehm. Mit wenigen Menschen konnte man auch schweigen, ohne dass es peinlich wurde. Sie schauten beide durch den dichter werdenden Regenschleier. Als die ersten Fäden die Scheibe herunter rannen, fragte er: „Gehen wir?“
Die Sicherheitsgurte klickten und Winterhalter fischte einen Regenschirm von der Rückbank.
Nicht wie sonst, standen die Vietnamesen vor ihrem kleinen Parzellen, die nicht größer waren wie eine Garage. Dort standen sie üblicherweise, um die Kunden abzufangen. Jetzt warteten sie unter den kurzen Vordächern der Buden.
„Passen Sie auch ihre Tasche auf, es gibt hier auch Taschendiebe, die sich an ihre Opfer drängen, wenn die völlig euphorisch in den Auslagen wühlen“, warnte er sie und sofort hakte sie sich bei ihm ein.
Dichtgedrängt hingen die Auslagen auf den wackeligen Ständern. Oft handelte es sich hierbei um gefälschte Markenware. Die hing zwischen den Originalen. Sie gingen erst in einiger Entfernung an den Buden vorbei. Früher waren dort Parkplätze markiert. Vor einigen der Buden parkten auch jetzt ein paar Autos. Ob es Kunden waren, oder ob die Autos den Besitzern gehörten, konnte man nicht erkennen.
Nachdem sie einmal die erste Reihe entlang gegangen waren, bogen sie nach rechts ab. Unter einem länglichen Werbeschild, auf dem etwas in Tschechisch stand, blieben sie kurz stehen. Das Schild überspannte den ganzen Eingang. Links davon preiste ein Schild auch billige Einkäufe auf Deutsch an. Es gab hier etliche weitere Buden. Sie schlenderten weiter, immer in Abstand zu den Auslagen.
Einer der Vietnamesen, der eine hellblaue Nike-Jacke trug, rief ihnen zu: „Kommen, kaufen, billig, billig.“
„Es sieht alles so harmlos aus hier“, raunte sie ihm zu.
„Ist es aber nicht“, antwortete er.
„Es gibt im Internet Videos, in denen Polizeieinsätze gezeigt werden. Die verbotenen Dinge, wie gefälschte DVDs und CDs gibt es in den Hinterzimmern. Dorthin gelangt man nur, wenn man direkt danach fragt. Die Vietnamesen sind vorsichtiger geworden.“
„Es macht ein wenig den Eindruck von den Touristenmärkten in den Urlaubsorten. Vielleicht nicht ganz so gedrängt. Und ich habe mir mehr Kunden vorgestellt“, sagte sie.
„Heute ist nicht so viel los. Das Wetter ist schlecht und es ist nicht Wochenende. Dann ist hier viel mehr los.“
„Und wo ist der Zusammenhang zwischen der Prostitution und den Markenpiraten?“, fragte sie.
„Das passiert nicht hier. Die Drahtzieher sitzen woanders. Hier stehen nur die kleinen Lichter, die die Waren anpreisen. Dahinter stehen Banden, die mit den gefälschten Waren und vor allem mit den Drogen,
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