Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
antwortete sie, „Alles, was wir jetzt tun konnten.“
„Sicher, das haben wir. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir hier in einer Gegend leben, in der solche Dinge immer wieder vorkommen werden.“
Pütz wurde hellhörig. Sie sah zum Assistenten herüber. Er drehte sich langsam um und lehnte sich mit beiden Händen auf den Tisch. In seinem Kopf arbeitete es offenbar heftig.
„Wie meinen Sie das?“
„Die Grenznähe zieht viele dubiose Gestalten an. Der Sextourismus boomt in unserem Nachbarland. Was glauben Sie, macht sonst ein sechzehnjähriges, tschechisches Mädchen tot in einem Swimmingpool in einer Klinik für Herzkranke?“
Pütz dachte über seinen Kommentar nach.
„Ich dachte, die Sextouristen gehen von Deutschland aus über die Grenze.“
Giegrich nickte. „Das tun sie auch immer noch. Doch es hat sich auch eine Art – entschuldigen Sie das Wort – Lieferservice entwickelt. Die jungen Frauen kommen von Tschechien aus über die Grenze, was ja an sich völlig unauffällig ist und verrichten dann hier auf Bestellung ihren Dienst.“
Pütz riss die Augen auf und schaute ihn an. „Edelprostitution? Sonst lohnt sich das nicht.“
„Ja, Sex auf Bestellung. Unsere Kollegen haben schon länger die Kliniken im Auge, die grenznah liegen. Bislang hatte das Treiben Bad Elster noch nicht erreicht. Aber der Beweis, dass es jetzt auch hier passiert, liegt nun vor uns.“
Er kniff die Mundwinkel zusammen und betrachtete Jolanka Ciczek mit einer Mischung aus Wut und Mitleid. Pütz nickte ihm freundlich zu. Sie ertappte sich dabei, wie sie langsam Sympathie für diesen ungewöhnlichen Kerl entwickelte. Hinter der schroffen Fassade wohnte scheinbar doch ein empfindsamer Geist.
„Wir werden denjenigen erwischen, der das hier zu verantworten hat“, sagte sie.
Giegrich richtete seinen Blick auf die in grün gekleidete Frau. Er sah, wie sich die Falten um ihren Mund vertieften. Der Zweifel an ihren eigenen Worten waren nicht zu übersehen.
„Ich hoffe, Sie behalten r echt, Frau Doktor.“
*
Kapitel 6
Bad Elster
Sie war müde am Telefon. „Es ist gut gelaufen“, sagte Reto Winterhalter auf ihre Frage.
„Es tut mir wirklich sehr leid, dass ich Sie versetzen musste“, antwortete sie und legte möglichst viel Bedauern in ihre Worte.
„Sie haben ja eine gute Entschuldigung. Ich hoffe, es war nicht zu anstrengend für Sie? Wie ist denn die Obduktion verlaufen? Gibt es neue Erkenntnisse?“
Carola Pütz dachte an die Tote mit den kornblumenblauen Augen. Sie beschloss ihm nichts über ihre gesundheitlichen Bedenken zu berichten. Stattdessen hielt sie sich an die Fakten.
„Sie wurde vergewaltigt und erwürgt.“
Winterhalter schien nicht erstaunt zu sein. Sie berichtete weiter über den Verlauf der Obduktion und teilte ihm die Überlegungen mit, die ihr Giegrich angetragen hatte. Winterhalter hörte ihr kommentarlos zu. Pütz hörte im Hintergrund Stimmen und das Klappern von Geschirr. Sicherlich war er in einem Restaurant und aß zu Abend.
„So oder so ähnlich hat sich auch heute ebenfalls die Streetworkerin geäußert. Je intensiver die Polizei sich auf beiden Seiten der Grenze einschaltet, umso erfindungsreicher werden die Banden. Wobei die Versorgung der Kliniken für sie auch neu sein dürfte“, sagte er und in seinem Schweizer Dialekt hörte sie so etwas wie Erstaunen heraus.
„Sie können es ihr ja noch mitteilen“, sagte Pütz, „Werden Sie die Frau denn noch einmal aufsuchen?“
Winterhalter erkannte sofort den Hintergedanken.
„Ich würde Sie sehr gerne dorthin mitnehmen“, sagte er schmunzelnd.
Pütz lachte laut auf. „Sie können schon sehr gut meine Gedanken lesen, dafür, dass wir uns noch nicht so lange kennen.“
„Ja?“
„Ich würde Sie sehr gerne begleiten, Herr Winterhalter.“ Sie hörte, wie er einen tiefen Schluck von seinem Getränk nahm.
„Ich werde mal schauen, wann ich einen erneuten Termin bei der Frau bekommen kann“, sagte er und wischte sich den Mund mit einer Serviette ab.
„Sehr schön, ich würde mich freuen.“ Pütz bemerkte, dass sie um den heißen Brei herumredeten. Daher ging sie einen Schritt weiter: „Ich würde sie natürlich auch gerne wiedersehen … ich meine, ohne einen Termin bei der Streetworkerin.“
Es entstand eine kleine Pause.
Mein Gott, dach te sie, jetzt bist du wieder viel zu forsch! So etwas macht man doch nicht am Telefon.
„Ist das so? “ Pütz bildete sich ein, sein Schmunzeln
Weitere Kostenlose Bücher