Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
mit deutschem Kennzeichen.
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Cheb
Katharina Schuberth blickte in das Gesicht des Mädchens, was sich mit einem Taschentuch die Tränen aus dem Augenwinkel wischte. Sie und ihr Bruder waren heute zum ersten Mal gemeinsam bei ihr. Bislang hatte sie es nie geschafft, sie zu einem gemeinsamen Gespräch einzuladen. Ob es die Scham war, die Bruder und Schwester davon abgehalten hatte, sie konnte es nur vermuten.
Schuberth betrachtete das Mädchen nachsichtig. Soeben hatten die Geschwister ihr unter Tränen berichtet, dass nun auch ihre kleine Schwester so weit war. Auch sie sollte sich prostituieren.
Wie schon so oft, waren sie in ihrem Team an einem Punkt angekommen, wo es ihnen sehr an die Substanz ging. Speziell dann, wenn es um wirkliche Kinder ging, die Opfer der pädophilen Neigungen von fetten, geilen Schwänzen werden sollten. Bereits am Morgen hatte eine Kollegin beinahe einen Nervenzusammenbruch erlebt.
Schuberth mochte es sich schon nicht vorstellen, was mit einer so zierlichen Person wie Tereza geschah. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Sie mochte es sich nicht vorstellen, dass einer dieser Freier Sex mit ihr hatte. Zugegeben, sie sah älter aus, als sie war. Die jungen Roma-Frauen waren den gleichaltrigen tschechischen Frauen, was die körperliche Reife anging, überlegen. Doch war einen fünfzehnjährige eben eine Fünfzehnjährige. Egal, ob sie es sich beim Tuscheln mit ihren Freundinnen vorstellte, wie ihr erstes Mal aussehen würde. Da waren Mädchen dieses Alters überall gleich.
Darum ging es nicht. Tereza konnte es in ihrem zarten Alter wahrscheinlich schon mit mancher Mittzwanzigerin aufnehmen, was die sexuelle Erfahrung anging. Erfahrungen, die ihr keiner mehr nehmen würde, so sehr sie auch darum betteln konnte. Die Männer hatten sich ihr in die Seele gebrannt. Für alle Zeit.
Auch ihr Bruder, der alles in allem mit einen etwas robusteren Eindruck daherkam, wirkte heute sehr verschüchtert. Er nahm zärtlich die Hand seiner Schwester und drückte sie.
„Was sollen wir denn tun? Wenn unsere Mutter wieder Männer nach Hause kommen lässt?“, fragte er und seine Sorge klang bitter.
Auch die Perversen hatten das Internet für ihre Zwecke entdeckt. Inzwischen waren es nicht mehr die Kinderhemdchen im Fenster, die den billigen Sex mit Schutzbefohlenen anpriesen. Stattdessen bekamen die Täter heute bequem und ungefährlich einen Termin per Internet oder Mobiltelefon. Katharina Schuberth wusste nur zu genau, dass innerhalb von fünf Minuten ein Deutscher hier immer noch ein zwölfjähriges Mädchen neben sich auf dem Beifahrersitz haben kann, wenn er wollte. Solange die Eltern es zuließen.
Sex mit Jugendlichen unter fünfzehn Jahren war zwar auch in Tschechien strafbar, aber wo kein Kläger, da war auch kein Richter.
„Ich kann mit eurer Mutter sprechen, oder ich kann die Polizei vorbeischicken. Das ist es, was ich tun kann.“
„Keine Polizei, dann wird es nur noch schlimmer“, jammerte Tereza los. Schuberth blickte in ihre angstgeweiteten Augen.
„Willst Du deine kleine Schwester schützen?“
Tereza verbarg ihr Gesicht in den Händen. Was sie sagte, ging in einem Schluchzen unter.
„Sicher wollen wir das. Doch wenn die Polizei kommt und unsere Mutter verhaftet, dann wird alles nur noch schlimmer“, sagte Matej energisch.
„Das ist nicht gesagt.“
„Sie ist unsere Mutter. Wen haben wir denn sonst noch auf der Welt?“
Er schloss die Augen, als könne er so den möglichen Ereignissen entfliehen.
„Wir würden uns um euch kümmern“, sagte Schuberth.
„Vergessen Sie nicht, wir sind Roma. Keiner kümmert sich wirklich um uns.“
Katharina Schuberth trafen die Worte des Jungen ins Herz. Wenn sie ehrlich war, hatte er sogar Recht. Wie oft hatte sie es erlebt, dass es genau so kam.
Matej, Roma, fünfzehn war ein Stricher. Hatte er jemals die Chance, etwas anderes zu sein? Als seinen Körper solange als Ware anzubieten, bis er zu alt dafür war? Bis er denen zu alt war?
"Ich habe ein paar Monate lang als Begleiter gearbeitet. Ich bin mit den Kleinen gefahren. Den ganz Jungen. Die, die deutschen Freier mit über die Grenze nehmen. Mit den Deutschen gab es oft Schwierigkeiten. Viele wollten nicht zahlen, andere schlugen die Kleinen nach dem Sex brutal zusammen und warfen sie einfach auf die Straße. Deshalb fahren Ältere wie ich mit, zum Schutz. Das könnte ich auch für meine kleine Eliska machen."
Katharina Schuberth stieg ein kribbelndes Gefühl in
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