Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
gebackenen Thunfisch-Leckerlis. Es gab kaum noch Haferflocken in dem kleinen Supermarkt zu kaufen, seitdem irgendjemand auf Facebook das Rezept für die Leckerlis gepostet hatte. Ei, Haferflocken, Öl und Thunfisch. Das Ganze verrührt und im Backofen mehr getrocknet als gebacken.
Peter und Paul liebten diese Hunde-Kekse. Während Maria bisher nur ihren Geruch kennengelernt hatte. Aus dem Gebüsch hatte sie sich aber nur nach hinten heraus getraut. Die Männer hatten ihr Angst gemacht. Die Frauen weniger. Vor allem die, der sie dann nachgerannt war. Diese Frau roch anders als alle Menschen, die ihr bisher begegnet waren.
Nicht nach Gefahr.
Nicht nach Tod.
Die drei Geschwister kuschelten sich eng aneinander. Erst gegen Abend würden Sie sich wieder in den Park herunter trauen. Auch Marie vergaß ihren Hunger.
*
Winterhalter holte Carola Pütz Punkt vierzehn Uhr vor der Treppe der Klinik ‚Sachsenglück‘ ab. Verstohlen wurden sie von einigen der Kurgäste beäugt. Einige tuschelten schon hinter der vorgehaltenen Hand: Wenn man selber Ärztin ist, dann gelten andere Regeln.
„Guten Tag, Frau Doktor, schön Sie zu sehen“, sagte er. Galant hielt er ihr die Beifahrertür auf.
„Vielen Dank.“ Ihr Lächeln war echt. „Wie haben Sie das geschafft, so schnell einen weiteren Termin zu bekommen?“
„Sie werden sich wundern, aber die Anfrage kam sogar von der Streetworkerin selber. Sie hat heute ein Geschwisterpaar zu Gast, das sie uns als Beispiel vorstellen möchte.“
Er klappte die Türe des Saab zu und ging mit schnellen Schritten um das Auto herum. Satt schlug die Autotür zu und Winterhalter schnallte sich an.
„Ein Geschwisterpaar? Beide sind Opfer der Pädophilen? Wie fürchterlich“, sagte sie betroffen und fischte sich ebenfalls den Sicherheitsgurt.
Winterhalter startete den Saab mit dem Schlüssel in der Mittelkonsole. Leise glitten sie die Auffahrt hinunter.
„Sie hat die beiden wohl schon länger betreut.“
„Wie alt?“
„ Es sind Zwillinge, fünfzehn Jahre alt.“
Carola Pütz blickte durch den Zaun in den Park der Klinik. Sie spürte, wie ihr Herz einen Hüpfer machte und sie sich räuspern musste.
„Fünfzehn , das sind noch Kinder. Mein Gott!“
Hinter einem der Fenster der Klinik stand eine Person und schob vorsichtig den Vorhang zur Seite. Sie blickte dem Fahrzeug hinterher. Dann schwang der Vorhang wieder zurück.
Sie passierten die Orte Reuth, Obersohl und Sohl, bis sich ein Gespräch entwickelte. Pütz hing ihren Gedanken hinterher. Sie dachte an die Fahrt nach Plauen und die Begrenzungspfähle, die sie gezählt hatte.
Das war gestern. Heute fühlte sie sich besser. Heute musste sie nicht agieren. Es stand ihr keine Begegnung mit einem Toten bevor. Aber dafür ein Geschwisterpaar, was mit fünfzehn Jahren schon die Hölle erleben musste.
„Mädchen mit fünfzehn sollten noch keine Erfahrungen mit Jungen haben und sie sollten vor allem keine Erfahrungen mit lüsternen, alten Kerlen haben. Ich weiß nicht, was ich mit so einem Widerling anstellen würde.“
Sie erntete einen Seitenblick von Winterhalter. „Ich weiß es dafür sehr genau!“
„Männer sind in solchen Dingen immer direkter.“
„Direktheit ist manchmal der einzige Weg.“
„Manchmal hält man aber auch Hirngespinste für die Realität.“
Wieder ein Seitenblick von Winterhalter.
„Trauen Sie mir zu, mich nicht richtig entscheiden zu können?“, fragte er beinahe beleidigt. Sie blickte aus dem Fenster und musste fast lachen.
„Nein, das wollte ich damit nicht sagen.“
„Was dann?“, fragte er und setzte zackig zu einem Überholmanöver an.
„Ich habe da mehr aus dem Nähkästchen geplaudert“, antwortete sie. Eine Anspielung auf ihre Ehe, die manchmal so weit in die Ferne gerückt schien.
„Frauen sind manchmal sehr gut im Produzieren von Hirngespinsten.“
„So oder so ähnlich habe ich das gemeint, Herr Psychologe.“
Winterhalter lachte laut. „Nein, ich bin vieles, aber einen Psychologen dürfen Sie mich nicht nennen. Das wäre weit daneben.“ Er schlug mit der rechten Hand auf das Lenkrad.
Carola Pütz stieg drauf ein. „Wie dürfte ich Sie denn nennen?“ Sie strich sich unbeholfen eine Strähne aus der Stirn. Kurzer Seitenblick.
Flirtet er mit dir?
„Sturkopf. Besserwisser. Kampfhahn.“
Pütz lachte. Winterhalter erwiderte es mit einem Lächeln.
„So schlimm? Sie machen so einen ruhigen Eindruck.“
„Ja, diesen Eindruck kann ich gut vermitteln“,
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