Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Doch dann hat der Stadtrat beschlossen, als Zeichen des guten Willens der Organisation dieses Domizil zu geben. Das ging durch die Presse. Werbewirksam.“
„Seht her, wir tun was“, sagte Pütz und setzte einen Fuß auf die erste Treppenstufe.
„Exakt.“
Sie stiegen die ausgetretenen Holzstufen hinauf. Pütz legte ihre Hand auf den hölzernen Handlauf. Sie bemerkte, wie zitterig ihre Knie waren.
Im ersten Stock stand der Name der Organisation in roten Lettern auf der reichlich geschnitzten Holztüre.
Ze ro.
Rot auf Weiß.
Pütz war froh, nicht noch weiter hinter Winterhalter her klettern zu müssen. Er streckte die Hand aus und öffnete die Türe. Der Türgriff aus Messing war von den vielen Händen, die ihn täglich berührten, blank poliert.
Sie traten in den Vorraum. Aus einem der rechts gelegenen Räume hörte man Stimmen. Der Tresen war verwaist. An der Wand zum Fenster hin hingen Poster in tschechischer Sprache. Doch auch , ohne die Worte zu verstehen, konnte man den Sinn erkennen. Es ging um sexuellen Missbrauch. Pütz sah sich weiter um.
Eine Wasserspülung rauschte und kurz drauf öffnete sich eine Türe neben ihnen. Eine schlanke Frau trat heraus und trocknete s ich die Hände mit einem Papierhandtuch ab. Sie hielt kurz inne und setzte dann ein freundliches Lächeln auf. Das Tissue flog in hohem Bogen in einem Papierkorb.
„Ah, Sie müssen der Herr Winterhalter sein“, sagte sie auf Deutsch mit einem schweren Akzent. Winterhalter bejahte.
„Darf ich Ihnen Dr. Carola Pütz aus Deutschland vorstellen?“
Sie reichten sich die Hände.
„Sehr erfreut. Mein Name ist Petra Vesely. Sie sind Doktorin? Medizinerin?“, fragte sie und drückte ihr kräftig die Hand.
„So etwas in der Art“, antwortete Pütz, die keine Lust hatte, ihre Profession zu erläutern. Sie freute sich über den warmherzigen Empfang der tschechischen Streetworkerin.
„Frau Schuberth hat Besuch, wenn Sie sich einen Moment noch setzen wollen?“
„Sehr gerne.“
Winterhalter schob einen betagten Stuhl, der schon bessere Tage gesehen hatte, nach vorne und deutete Pütz an, sich zu setzen. Er selber setzte sich ebenfalls.
Petra Vesely verschwand hinter ihrem Tresen.
Der ganze Vorraum machte einen eher provisorischen Eindruck, aber ohne unangenehm zu erscheinen. Die Stimmen hinter der Türe wurden lauter und mit einem Knarzen öffnete sie sich. Pütz sah ein dünnes Mädchen und einen ebenso spindeldürren Jungen, der seine Hände in seinem Kapuzenpulli vergraben hatte. Er zog seine Schultern hoch und musterte die beiden Wartenden mit einem abschätzenden Blick. Braune Augen. Pütz fragte sich, ob er versuchte, eine potenzielle Gefahr abzuschätzen. Sie vermochte es nicht, zu erkennen. Doch der Blick des Jungen hatte kaum noch etwas Kindliches.
„Wenn ihr beiden noch eine Weile warten möchtet? Ich könnte euch dann heimfahren. Jedenfalls bis in eure Straße, wenn euch das lieber wäre. Was sagt ihr?“ ihre Worte klangen warm und freundlich.
Das dünne Mädchen schaute ihren Bruder an, dann nickte sie.
„Gut, ihr könnt euch dann solange setzen und Petra gibt euch etwas zu trinken, wenn ihr mögt.“
Sie kam auf Winterhalter und Pütz zu.
„Ich freue mich, dass es so schnell geklappt hat. Sie müssen die berühmte deutsche Ärztin sein, von der Herr Winterhalter gesprochen hat“, sagte sie und reichte Carola Pütz ihre Hand.
Was hat er ihr denn erzählt? Ich bin nicht berühmt. Ich bin bestenfalls bekannt und das auch sicher nur noch eine begrenzte Zeit lang.
„Naja, wie ich sehe, hat er mit seinem Schweizer Überschwang ein wenig übertrieben. Aber es stimmt, ich bin eine Ärztin.“
Sie erwiderte den Händedruck. Tereza und Matej warteten geduldig, bis die drei Erwachsenen die Türe hinter sich schlossen. Erst dann setzten sie sich.
Katharina Schuberth bat Winterhalter und Pütz , sich zu setzen.
„Sie sind die Forensikerin, die Jolanka Ciczek obduziert hat?“, fragte sie, nachdem sie sich auf ihrem Drehstuhl niedergelassen hatte. Mit einem kleinen Schwung rollte sie an den Tisch heran, legte die Arme vor sich und faltete die Hände.
Sie kommt schnell zum Thema.
„Ja, das bin ich“, antwortete Pütz.
„Wie ich erfahren habe, war es Mord. Ich möchte von Ihnen auch gar keine unschönen Details erfahren. Sie sollen nur wissen, dass Jolanka auf genau dem Stuhl vor mir saß, auf dem Sie jetzt sitzen. Der Tod unserer Schützlinge ist für uns leider keine Seltenheit.“
Die Worte kamen aus ihren
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