Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
wurde es kompliziert. Und widerlich wurde es dann, wenn die Spuren ins Nichts führten.
Doch dieses Mal könnte es schon eine Spur geben.
„Bei der Pütz hat heute Nacht einer versucht, einzudringen“, sagte er wie beiläufig.
„Bei der Gerichtsmedizin er-Trulla?“, fragte Schmidt zögernd.
„Ja, genau bei der.“
„Glaubhaft?“
Streiter schaute zu seinem Kollegen herunter, der immer noch ein ungläubiges Gesicht machte.
„Die Alte ist eine Schreckschraube und hat einen Herzinfarkt erlitten, aber dämlich ist die nicht. Echt nicht.“
„Sage ich ja auch nicht, aber hat die sie alle beisammen?“
„Wieso fragst Du?“ Streiter beobachtete die Gerichtsmediziner, die Mühe hatten, den Leichnam in den Plastiksack zu bugsieren. Die Leichenstarre war voll ausgeprägt.
„Doktor Hildebrandt hat sie gegoogelt. Man munkelt etwas von einer Zwangsstörung als Auslöser für den Infarkt“, sagte Schmidt und wickelte ein Kaugummi aus. Er hielt es in der Hand.
„Was im Internet steht, glaube ich schon mal gar nicht.“
„Musst Du auch nicht“, antwortete Schmidt spitzbübisch und schob sich den Kaugummi in den Mund, „Ich wollte nur berichten, was Hildebrandt gesagt hat.“
„Das hast Du jetzt getan. Ich werde sie fragen, wenn ich nachher mit ihr telefoniere.“
„Und Du denkst, sie sagt dir die Wahrheit?“
„Ja, warum nicht? Außerdem bin ich ein Kriminaler, der es rafft, wenn er verarscht wird“, antwortete Streiter.
Streiter blieb seinem Kollegen die Antwort schuldig. Ein Brummen in seiner Manteltasche signalisierte ihm einen Anruf.
„Entschuldigung“, murmelte er, kramte das Telefon hervor, nahm das Gespräch an.
Sein Kollege Harald Krämer im Plauener Präsidium brachte mit einem Satz seine trüben Gedanken in Rotation.
„Der Tote heißt Petr Sniezek und ist als pädophiler Straftäter bei den tschechischen Kollegen aktenkundig“, sagte Krämer.
Die Spur war da. Streiter bedankte sich und beendete das Gespräch. Er warf Schmidt einen bedeutsamen Blick zu.
„Der Tote heißt Sniezek und ist ein vorbestrafter Pädophiler.“
„Wow!“, stieß Schmidt hervor, kaute plötzlich hektisch auf seinem Kaugummi, „Wenn das kein Zusammenhang zu unserer toten Schönheit vom Schwimmbad ist.“ Seine listigen Augen blitzten.
„Genau, deshalb werden wir auch gleich dorthin fahren und denen das Foto des Mannes vor die Nase halten.“
Er drehte sich um und suchte im Halbdunkel des Pavillons nach Dr. Hildebrandt.
*
Cheb
Abseits der wunderschönen Altstadt von Cheb gab es einige Straßen, die nie ein Tourist zu Gesicht bekam. Wie eine unsichtbare Mauer hielten die baufälligen und heruntergekommenen Gebäude jeden Besucher ab. Auch die zerlumpten Gestalten, die mit ihren struppigen, schwarzen Haaren auf der Straße standen, lockten keine Touristen an. Sie schreckten eher ab. Einige Touristenführer nährten sogar die Vorurteile gegenüber den Roma. Man würde dem Problem nicht mehr Herr. Die Roma würden sich unkontrolliert vermehren und würden sich außerhalb der tschechischen Gesellschaft fühlen. Was sicher auch stimmte, aber keinesfalls aus ihrem eigenen Antrieb erfolgte.
Tereza, ihr Bruder und die kleine Eliska suchten aber an diesem Morgen genau den Weg in dieses Viertel. Zogen überall kleine Rauchschwaden aus den liebevoll restaurierten Häusern in der Altstadt, so sah man hier nur aus ganz wenigen Schornsteinen Rauch aufsteigen. Die meisten der Wohnungen besaßen keine Heizung. Nicht mal eine Kohleheizung. In den strengen Wintern, die hier teilweise herrschten, eine absolut unmenschliche Zumutung für die Familien.
In einem der Häuser hatten sich die Straßenkinder ein Dachgeschoss notdürftig ausgebaut. Mit allem, was sie auf den Straßen ergattern konnten. Hier oben lagen alte Bettgestelle, über die man alte zerrissene Bettlaken gehängt hatte, gegen die Zugluft, die durch die Dachziegel pfiff. Auf dem Boden verstreut lagen Matratzen, Decken und in einer Ecke stand sogar ein alter Ofen. Sein notdürftig zusammengeschustertes Ofenrohr steckte in einer Lücke des Daches, wo ein paar Dachziegel fehlten. Um den Schnee abzuhalten, hatte jemand ein paar Ziegelsteine dazwischen geklemmt. Man musste sehr vorsichtig sein, wenn man den Ofen öffnete, drohten die Steine jedes Mal denjenigen zu erschlagen, der den Ofen befeuerte. Was nicht oft vorkam, denn es gab nichts, was man darin hätte verbrennen können. Einmal hatten Kinder die Ritzen zwischen den Ziegelsteinen mit
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