Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Untersuchung.
Pütz verfolgte die Kabel, die von ihrem Körper weg zur Maschine führten. Sie hob den Kopf, weil sie sich einbildete, sie könne etwas auf dem Display erkennen. Displays von irgendwelchen Geräten standen nicht sehr hoch auf ihrer Beliebtheitsskala. Nicht erst seit ihrem Aufenthalt in der Bonner Klinik auf dem Venusberg. Dennoch, heute tat sie es, denn sie suchte weiter nach einem Sinn. Einem Sinn für diese Untätigkeit. Man hätte es auch Zeitverschwendung nennen können, denn sie war sicher, diese Untersuchung würde keine bahnbrechenden Erkenntnisse mit sich bringen.
Vor allem mit dem Hintergrund ihres neuerworbenen Wissens über den Toten, der am See gefunden worden war.
Unmerklich stieg ihr Puls an, obwohl sie nicht intensiver strampelte, oder auch das Gerät ihr durch die eingebaute Bremse nicht mehr Kraft abverlangte.
D er erhöhte Pulsschlag hing unzweideutig mit diesen neu gewonnenen Erkenntnissen zusammen. Die Furcht trieb ihren Puls in die Höhe. War der Tote vielleicht derjenige, der nachts noch durch die Klinik geschlichen war? Der sie in Panik versetzt hatte. Oder wurde er vielleicht selber das Opfer desjenigen?
Pütz trampelte eifrig weiter gegen die Maschine an. Plötzlich ertönte ein schriller Ton. Unwillkürlich musste Pütz an eine Dampflokomotive denken.
„So, nun haben Sie es schon hinter sich“, sagte der Lokführer mit der bekannten Stimme von Professor Wielpütz.
„Aha“, sagte Pütz ungläubig und verlangsamte den Tritt.
„Es ist so, dass die genaue Auswertung der Messergebnisse noch eine Weile dauert, aber es ist so, wie ich es schon vermutete“, sagte er und die auf der Nase balancierende Brille stand wieder kurz vor ihrer letalen Talfahrt.
Er machte eine Pause, wie es so viele Ärzte taten , um ihre Patienten damit bis zum Wahnsinn zu treiben.
„Und?“
„Wie ich bereits vermutete, es ist ihr linker Herzmuskel. Der pumpt nicht mehr alles Blut weiter. Es bleibt immer ein kleiner Rest übrig“, verkündete er mit bedeutungsschwangerer Miene.
Pütz rappelte sich von der Liege hoch. Diese Aussage betraf nicht sie. Das konnte nicht sein.
Ich bin nicht wirklich angeschlagen.
„Welche Medikation schlagen Sie vor?“, fragte sie trotzdem artig. Es hatte immer Fälle gegeben, wo sich Ärzte trotz modernster Technik getäuscht hatten.
„Ist die Errektionsfraktion kleiner gleich fünfundfünfzig Prozent, ist alles in Ordnung. Bei einer EF von vierundfünfzig bis fünfundvierzig Prozent gilt der Patient als leichtgradig eingeschränkt. In diese Kategorie fallen auch sie, Frau Doktor Pütz.“
Sie saß auf dem Untersuchungstisch und kam sich trotz ihrer medizinischen Ausbildung vor wie eine Erstsemester-Studentin.
„Was heißt das jetzt für mich? Muss ich Medikamente nehmen?“
Wielpütz linste pfiffig über seine Brille.
„Nein, erst wenn sie eine EF von unter fünfundvierzig Prozent hätten, wäre sie eine Medikation mit einem ACE-Hemmer angezeigt. Bei Ihnen liegt aber keine linksventrikuläre Dysfunktion vor. Sie sind mit einem blauen Auge davongekommen, Frau Kollegin. Was aber nicht bedeutet, dass sie sofort wieder in ihrem Beruf durchstarten können. Ich rate Ihnen dringend, sich etwas zu suchen, was weniger Stress auslöst. Sonst liegen sie in einem Monat wieder auf einer Bahre.“
Carola Pütz sprang auf die Beine. „Sind wir dann hier fertig für heute?“, fragte sie und griff nach ihrer Bluse, die sie akkurat über eine Stuhllehne gehängt hatte. Sie hatte die Worte des Arztes begierig aufgesaugt.
Ich bin nicht krank.
„Wenn Sie heute keine Anwendungen mehr haben? Dann ja“, sagte der Professor. Er zog die Schultern hoch.
„Nur noch ein wenig planschen mit dem Österreicher“, antwortete Pütz. Es fehlte nicht viel und sie hätte den Professor umarmt.
Draußen auf dem Flur blickte sie auf ihre Armbanduhr und überlegte, ob Marie wohl eine erneute Gassirunde vertragen konnte. Es war jetzt halb zehn. In Eile wollte sie an der Rezeption vorbeihasten. Doch nach einem kurzen Seitenblick blieb sie stehen. Mit kerzengerader Körperhaltung stand Frau Doktor Clara von Hohenstetten hinter den Tresen. Steif wie ein Stock hätte man auch sagen können. Vor dem Tresen erkannte sie ohne Zweifel die beiden Kommissare Streiter und Schmidt.
Wie Pat und Patachon .
Doch ihre Freude über die Ehrfurcht, die die Polizei bei Frau Doktor von Hohenstetten auszulösen schien, währte nicht lange. Die Leiterin erblickte sie, wandte sich an Edith Kramke,
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