Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Zimmer der Frau da geholt.“ Sein kurzer, fleischiger Arm zuckte in Pütz Richtung. Er trug trotz der Kälte keinen Pullover, sondern ein kurzärmeliges, grünes Hemd, was über seinem enormen Bauch spannte.
„Achja? Und ihr Name?“
„Lehmann, Frank Lehmann“, sagte der Mann und Pütz bemerkte, dass sein Mund trocken klang. Sie freute sich diebisch, selbst wenn sie den Mann in ein vermeintlich falsches Licht gerückt hatte. Vielleicht hatte sie ja einen Zufallstreffer gelandet.
Rache war süß.
„Ich habe da ein paar Fragen an Sie, Herr Lehmann. Kommen Sie bitte mit mir“, sagte Streiter und der Hausmeister folgte ihm wie ein begossener Pudel. Er hatte immer noch nichts verstanden.
Pütz lachte in sich hinein. „Komm Marie, wir gehen eine Runde Gassi.“
Entlang der Neugierigen, die in kleinen Grüppchen in der Nähe standen, bahnte sich Pütz , mit dem Welpen auf dem Arm, den Weg zur großen Eingangstüre. Für diesen Tag war die Gerüchteküche der Klinik gut gefüttert. Polizei im Haus, eine Patientin mit scheinbaren Sonderbehandlungen, die einen Hund bei sich hatte, ein Hausmeister, der vernommen wurde. Bis zum Abend hatte sich hartnäckig das Gerücht verfestigt, bei Carola Pütz handele es sich um eine verdeckte Ermittlerin, die von der Kripo eingeschleust wurde, um die Diebstähle aufzuklären. Von diesem Moment an, ließ man sie nicht mehr aus den Augen.
*
Daniel Giegrich und Doktor Andrea Hildebrandt hatten sich , nachdem der Tote vom See bei ihnen in der Gerichtsmedizin eingetroffen war, sofort an die Arbeit gemacht.
„Er ist da“, hatte ein weiterer Assistent der Plauener Gerichtsmedizin gerufen, nachdem er seinen Kopf durch die Türe des Sektionsraumes gesteckt hatte.
„Sehr gut. Her mit dem Kerl“, hatte Dr. Hildebrandt geantwortet. Seitdem waren zwei Stunden vergangen. Es war jetzt viertel vor zwei Uhr.
„Wenn man eine positive Identifizierung in diesem Sinne hat, dann obduziert man mit einem anderen Gefühl, Frau Doktor“, sagte Giegrich. Er starrte auf seine blutverschmierten Hände. Dann starrte er die Uhr an der Wand an.
„Sie meinen, weil er ein Kinderschänder ist, hat er weniger Recht auf eine korrekte Behandlung?“, fragte sie spitz.
„Nein, so meine ich das nicht “, verteidigte sich Giegrich, der es eigentlich genau so gemeint hatte, „Das Gefühl ist ein anderes. Bei mir jedenfalls.“
„Wir haben bei unserer Arbeit keine Gefühle, wir suchen eine Todesursache, Herr Kollege.“
„Und diese Todesursache hier sieht verdammt so aus, wie die bei dem Mädel, was dahinten in der Kühlung liegt“, sagte er und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung der Kühlfächer.
„Sie waren ja dabei, ich kann es nur nach dem Bericht der Kollegin beurteilen. Aber es scheint, dass Sie recht haben. Wie ist sie denn so? Die berühmte Frau Carola Pütz?“ Die Doktorin hielt in der Bewegung inne. Giegrich starrte den geöffneten Brustkorb des Toten an, als könne er dort eine Antwort auf diese Frage finden. Doktor Hildebrandt legte die Nieren des Mannes auf eine Waage und ging davor in die Hocke. Dann sprach sie das Gewicht in das Mikrofon, was wieder an seinem Galgen über dem Sektionstisch baumelte.
„Sie ist eine sehr nette Person“, antwortete Giegrich diplomatisch.
„Nett? Nett ist die kleine Schwester von Scheiße“, sagte Hildebrandt.
Sie hatte recht, das musste er zugeben. „Sie ist kompetent, aber auch ein wenig schwierig.“
„Sehen, Sie, das klingt doch schon interessanter als nett. Und nach einem Grund, sich mal mit der Dame zu unterhalten.“
Für sie war die Unterhaltung beendet. Sie nahm das Organ wieder von der Waage.
Die Dunkelheit um den Tod von Jolanka Ciczek erhellte sich an d iesem Tag auch noch ein wenig. Die DNA-Probe von Petr Sniezek deckte sich nicht mit der DNA, die man im Körper von Jolanka Ciczek gefunden hatte. Also war der tschechische Pädophile nicht der Vergewaltiger des Mädchens.
Als Kommissar Streiter den Anruf von der Gerichtsmedizin erhielt, schwirrten daraufhin zwei Gedanken in seinem Kopf herum.
„Wir müssen uns einen Gerichtsbeschluss holen“, sagte er zu seinem Kollegen.
„Wofür?“, fragte Schmidt und schob seine Brille auf dem Nasenrücken ein wenig nach vorne.
„Wer auch immer die Kleine vom Schwimmbad vergewaltigt hat. Sniezek war es nicht. Also brauchen wir eine Genehmigung, um einen DNA-Test mit allen männlichen Patienten der Klinik durchzuführen.“
Schmidt stieß einen leisen Pfiff aus.
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