Verlorene Träume (Windham-Reihe, Band 3) (German Edition)
auf sich aufmerksam zu machen.
Als sich Dorian schließlich einen Weg durch die Seeleute gebahnt hatte, sank er frustriert auf einen Stuhl.
„Das ist doch alles nicht zu fassen. Keiner hat sie gesehen“, eröffnete er sogleich das Gespräch und fuhr sich durch das an den Schläfen graue Haar.
„Beruhige dich, Vater. Logan und ich haben jedes auslaufende Schiff kontrolliert. Rose kann England kaum verlassen haben“, erklärte Devlin.
Logan trank einen Schluck und nickte zustimmend. Sein dunkles Haar schimmerte beinahe bläulich, und er hätte gut als Devlins Bruder durchgehen können. Beide waren groß, dunkel und gut gebaut. Allerdings sah Devlin, seit er Danielle geheiratet hatte, rundherum zufrieden aus, wohingegen Logan immer einen verbissenen Zug um den Mund hatte.
Dorian schlug mit der Faust auf die klebrige Tischplatte.
„Dieses sture Frauenzimmer! Wenn sie dies für einen ihrer üblichen Scherze hält, dann hat sie sich getäuscht! Diesmal ist sie wirklich zu weit gegangen! Ich werde sie in ein Kloster stecken!“
„Als würden die sie haben wollen“, murmelte Devlin, und auch Logan konnte ein amüsiertes Zucken seiner Mundwinkel nicht verbergen.
„Weston, wenn Ihr erlaubt, kehrt nach London zurück und wartet darauf, dass Eure Tochter zur Vernunft kommt. Vielleicht ist sie längst wieder zu Hause. Ich postiere meinen Kammerdiener Oliver hier im Hafen, und für den unwahrscheinlichen Fall, dass Rose schneller war als wir, begleitet mich Devlin nach Frankreich“, schlug Logan vor.
Dorian nickte. „Ich werde Rose einen Strich durch die Rechnung machen“, prophezeite er. „Sie wird ihr blaues Wunder erleben, wenn sie Italien erreicht.“
Logan runzelte die Stirn und sah fragend zu Devlin herüber.
„Was hast du vor, Vater?“
„Bringt mir diesen Moretti. Rose will immer die Dinge, die sie nicht bekommen kann. Wenn ich ihr Moretti direkt vor die Nase setze, dann wird sie seiner ganz schnell überdrüssig sein.“
Devlin musste lachen. Der Plan seines Vaters könnte aufgehen. Zudem würde sie dann von ganz alleine zurück nach London kommen, um ihren Poeten wiederzusehen.
„Na, was sagst du, Logan? Ein kleiner Abstecher nach Italien gefällig?“, fragte Devlin.
Logan neigte unschlüssig den Kopf, und Devlin wusste, dass sein Freund eigentlich seinem Weinberg einen Besuch abstatten wollte.
„Ach, was soll’s, Dev. Wir waren schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gemeinsam unterwegs.“ Er hob seinen Krug. „Auf die alten Zeiten!“
Devlin grinste bedauernd und schüttelte den Kopf.
„Ich bin jetzt verheiratet.“
Logan zuckte die Schultern. „Von Wein, Weib und Gesang übernehme also ich den Wein und das Weib – soll mir recht sein, Dev, soll mir recht sein!“
Kapitel 9
Bristol
„Vater!“
Der Gedanke war so plötzlich da, dass er Rose beinahe den Atem nahm. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, denn es gelang ihr nicht, die Erinnerung wirklich zu fassen. Nur die Gewissheit, einen liebenden Vater zu haben, wärmte sie. Wo mochte er stecken? Suchte er sie womöglich? Rose massierte sich die Schläfen, aber das Bild blieb in den Tiefen ihres Bewusstseins verborgen, auch wenn es beruhigend war, dass ihre Erinnerungen nur verschüttet und nicht verloren schienen. Wenn sie sie doch nur ausgraben könnte!
„Vater, wo bist du?“, murmelte Rose, und das Gefühl, vollkommen allein zu sein, das sie den ganzen Tag verdrängt hatte, brach über ihr zusammen. Wie leicht war es in der Nähe ihres Dienstherrn, sich geborgen zu fühlen und für diese kurzen Momente ihre Sorgen zu vergessen. Er war so stark und sinnlich. Wusste genau, wer er war – und was er wollte. Rose beneidete ihn dafür, auch wenn seine Unverschämtheiten sie wütend gemacht hatten. Wut war immer noch besser als diese Verlorenheit. Und weil sie sich so verloren vorkam, so haltlos wie ein Blatt im Wind, hatte sie der Moment in seinen Armen so verwirrt. Wie leicht wäre es doch gewesen, sich in diese Illusion von Nähe und Schutz zu flüchten, sich darin zu verlieren!
Rose ging weiter durch die dunklen Flure. Der Staub auf dem Boden zeigte, dass sich in diesem Bereich nur selten jemand aufhielt. Die Fensterbögen waren nicht verglast, sondern mit Brettern vernagelt, und nur wenig Licht fand seinen Weg herein. Sie wollte nicht das Wagnis eingehen, dem Bluthund erneut in die Arme zu laufen, darum verwarf Rose die Idee umzukehren. Sie würde einfach sehen, wohin dieser Flur führte, und dabei sicher zurück in die
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