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Verlorenes Spiel

Verlorenes Spiel

Titel: Verlorenes Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ausdruckslose Blick in seinen Augen
erklärte sich voll und ganz durch die mitten auf seiner Stirn befindliche
Schußwunde. Einen Augenblick lang fragte ich mich, warum meine Hände und Füße
mir nicht gehorchten. Dann bemerkte ich, daß ich an einen Stuhl festgebunden
war. Infolgedessen öffnete ich meinen Mund, um zu schreien, jedoch nur, um
festzustellen, daß ich geknebelt worden war. Ich schloß meine Augen und fluchte
ebenso leise wie wild auf mich selber. Nach einer Weile gingen mir die Flüche
aus, und es blieb mir nichts anderes übrig, als geduldig sitzen zu bleiben.
    Der
erste Mensch, der das Büro betrat, war Tina, die rothaarige Amsel mit dem
Hundertzwanzigzentimeterbusen. Sie warf einen Blick auf Amoy und brach in einen
hysterischen Schreikrampf aus. Ich kam ihr gar nicht in den Sinn. Sie gönnte
mir nicht einmal einen Blick.
    Aber
die hundertzwanzig Zentimeter Oberweite bedeuteten ein beachtliches Potential
an Lungenkraft, und letztere brachte den Oberkellner auf die Szene, der mir den
Knebel aus dem Mund riß und mir Füße und Hände losband. Ich befahl dem
Oberkellner, Tina zum Schweigen zu bringen, und nach einem Blick auf mein
Gesicht wagte er nicht, zu widersprechen.
    Ich
massierte einen Augenblick lang meine Handgelenke, dann goß ich mir ein
weiteres Glas von Dukes Scotch ein. Schließlich hatte er ja keine Verwendung
mehr dafür. Danach befahl ich dem Oberkellner, die Rothaarige aus dem Büro zu
befördern. Als die beiden draußen waren, schmiß ich die Tür hinter ihnen zu,
zündete mir eine Zigarette an und fragte mich, ob zwanzig schnelle Kniebeugen
mich und meine Blutzirkulation wieder auf den Damm bringen würden. Dann blickte
ich wieder auf meine Uhr und stellte fest, daß es Viertel nach elf war, was
bedeutete, daß ich vom Zeitpunkt der Ermordung Amoys an mindestens eine Stunde an den Stuhl gefesselt gewesen sein mußte.
    Ich
hatte es gewissermaßen nicht eilig, diese Sache zu melden. Ich wollte einen
klaren Kopf haben, bevor ich mich Lavers’ Reaktionen gegenübersah. Also ging
ich um den Schreibtisch herum, zog die oberste Schublade auf und untersuchte
sorgfältig ihren Inhalt.
    Vom
Rest der Reiseprospekte abgesehen, war die einzig interessante Entdeckung ein
mit einigem Gekritzel bedeckter Block. Es sah so aus, als sei er alles, was von
Dukes Wunschtraum übriggeblieben war. Mindestens ein halbes dutzendmal stand
die Summe von zweihunderttausend Dollar darauf vermerkt. Als Nadelgeld für eine
Südamerikareise eine nette runde Summe.
    Ich
wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß Amoy ein Dichter war. Aber da stand auf
der Mitte d er
Seite: »Mutter sagt ja — der Sohn sagt nein — und doch sitzt er allein auf dem
Geld.« Und unterhalb dieses lyrischen Opus, gegen das Ende der Seite zu, stand
noch etwas: »W« für » Wetback «.
    Ich
drückte das Ende meiner Zigarette im Aschenbecher aus und zündete mir eine neue
an. Ich starrte vielleicht fünf Minuten lang auf den Block, und dann ganz
plötzlich begann mir, alles klarzuwerden.
    Erschreckend
klar. Ich entsann mich, daß ich mich selber gegenüber Mutter Randall mit einem
Reimwerk versucht hatte. Ich hatte sie gefragt, welchem Spiel sie sich hingab — Zehn kleine Negerlein standen auf
der Scheun ’. Eines wurde aufgebaumelt, da waren’s nur
noch neun. Mir war damals nicht klargewesen, welch bittere Wahrheit
darin gelegen hatte.
    Ich
nahm den Hörer vom Telefon und wählte die Nummer des Sheriffbüros. Die Stimme
am anderen Ende kam mir bekannt vor. »Polnik?« sagte ich. »Hier spricht
Wheeler.«
    »Ich
habe schon die ganze Zeit versucht, Sie zu erreichen, Lieutenant.« Man konnte
die Erleichterung in seiner Stimme deutlich hören. »Wo sind Sie gewesen?«
    »Spielt
keine Rolle«, sagte ich. »Inzwischen hat sich ein weiterer Mord ereignet.«
    »Wie?«
gurgelte er ungläubig. »Woher wissen Sie das?«
    »Weil
ich dabei war, als es passierte«, sagte ich ungeduldig. »Sie kommen besser auf
der Stelle hierher und...«
    »Der
Sheriff ist gerade vor ein paar Minuten weggefahren«, sagte Polnik. »Nachdem
ich ihm gesagt habe, daß bei Ihnen zu Hause niemand an den Apparat ginge,
Lieutenant. Noch nie zuvor habe ich ihn so erlebt.« Die Verwunderung in seiner
Stimme war noch immer spürbar. »Er sah aus, als ob er im nächsten Augenblick
explodieren würde. So wie immer — Sie wissen ja, wie er ist. Nichtsdestoweniger
blieb er völlig ruhig und sagte kein einziges Wort.«
    »Okay«,
sagte ich kurz und bündig. »Ich werde ihm

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