Verlorenes Spiel
zu früh
daran war.
Plötzlich
öffnete sich ein kleiner Schieber in der Tür, und ich blickte in zwei
Knopfaugen. »Wir öffnen erst um halb zwölf«, sagte eine gedämpfte Stimme,
worauf die Schiebetür sich geräuschvoll wieder schloß. Ich hämmerte weiter an
die Tür, und als sich der Schieber zum zweitenmal öffnete, schienen mir die Augen noch knopfartiger. »Verschwinden Sie«, knurrte
die Stimme. »Oder ich rufe die Polizei!«
Ich
erklärte ihm schroff, wer ich war und was ich wollte. Darauf öffnete sich die
Tür und ich betrat den Club. Einen Augenblick lang hatte ich Mühe, den Kerl unterzubringen, aber dann fiel
der Groschen. Es gibt keinen Admiral, der nicht völlig anders aussieht, wenn er
seine Uniform nicht anhat, und der Türsteher-Admiral bildete keine Ausnahme.
»Der
Boss ist im Büro, Lieutenant«, sagte er. »Es ist wohl okay, wenn Sie direkt hineingehen.
Kennen Sie den Weg?«
»Ich
bin schon dagewesen«, versicherte ich ihm. »Und habe damit die geheiligte
Tradition einer langen Ahnenreihe von Damen gebrochen.«
Er
grinste und entblößte dabei mehr Zahnlücken als Zähne. »Was Sie nicht sagen«,
bemerkte er.
Ich
begab mich durch die verlassene Bar in den im Halbdunkel liegenden Hauptraum.
Dann klopfte ich an die Tür von Amoys Büro bis seine
Stimme »Herein« rief.
Als
ich ins Zimmer kam, blickte er mit einem Ausdruck auf, der mehr als
Überraschung war, ganz so, als ob er jemand anderen erwartet habe. Er öffnete
die oberste Schublade seines Schreibtisches und ließ rasch einen Stapel bunter
Prospekte darin verschwinden und schob sie dann eilig zu.
»Der Club ist noch nicht
geöffnet, Lieutenant«, sagte er und begrüßte mich mit einem gezwungenen
Lächeln. »Aber Sie bekommen trotzdem bei mir was zu trinken.«
Ich
schloß die Tür hinter mir, ging dann auf einen Sessel zu und setzte mich. »Das
wäre reizend«, sagte ich. »Scotch auf Eis, ein wenig Soda.«
Er
erhob sich aus seinem Sessel und öffnete den Flaschenschrank. Während er den
Whisky eingoß sprang ich rasch hoch, öffnete die oberste Schublade des
Schreibtischs und entnahm ihr eine Handvoll der bunten Prospekte. Amoy, die
Flasche in der einen und ein Glas in der anderen Hand, beobachtete mich
weiterhin mit gezwungenem Lächeln.
»Das
ist aber nicht nett von Ihnen, Lieutenant«, sagte er leise.
Ich
blätterte uninteressiert in den Prospekten. »Rio?« sagte ich. »Wenn ich mir das
hier ansehe, höre ich direkt den Schlag der Bongo-Trommeln. Brasilien, Chile
Haben Sie vor, eine Reise zu unternehmen, Duke?«
»Ich
habe es mir nur gerade so durch den Kopf gehen lassen«, sagte er. »Das ist ja
wohl kein Verbrechen?«
»Wie
bald wollen Sie denn schon wegfahren?« fragte ich beiläufig.
Er
begab sich zu dem Sessel vor seinem Schreibtisch zurück und stellte die Gläser
ab, bevor er sich wieder hinsetzte.
»Jeder
Mensch hat so seinen Wunschtraum«, sagte er. »Meiner ist, irgendwann mal eine Reise
zu all diesen Orten in Südamerika zu unternehmen. Vielleicht komme ich gar nie
dazu — wer kann das sagen.«
»Sie
überraschen mich, Duke«, sagte ich zu ihm. »Ich habe nie geahnt, daß unter
Ihrem stets reinigungsbedürftigen Smoking ein so romantisches Herz schlägt.«
Er
hob sein Glas. »Jedenfalls — auf den Wunschtraum, Lieutenant. Ihren
Wunschtraum, meinen Wunschtraum, jedermanns Wunschtraum.«
»Jedermanns
Wunschtraum ist, von einer Blondine verehrt zu werden, bei der alles ein
bißchen überdimensional geraten ist. Ihr Wunschtraum ist offenbar anders,
Duke.«
»Daran
sehen Sie, was ich für ein Individualist bin«, sagte er und grinste.
Ich
nahm mein Glas in die Hand und ließ mich in den Sessel zurücksinken. »Ich bin
eigentlich gekommen, um mich mit Ihnen über Alibis zu unterhalten«, sagte ich.
»Ich entsinne mich, schon früher einmal über dieses Thema gesprochen zu haben.«
»Ja«,
sagte er und nickte. » Heute vormittag , auf dem Besitz
der Randalls. Wegen gestern nachmittag um fünf und
heute in den frühen Morgenstunden.«
»Ganz
recht, fahren Sie nur fort«, sagte ich.
» Gestern nachmittag um fünf?« Er rieb die Fingernägel seiner
rechten Hand am Aufschlag seines Smokings. »Ich glaube, da werden Sie sich bei
Tina erkundigen müssen. Wir haben zusammen hier drinnen gesessen.« Er betonte
das Wort »zusammen« in besonders theatralischer Weise.
»Was
die frühen Morgenstunden des heutigen Tages anbetrifft, so war ich wie immer
hier im Club, Lieutenant.
Sie können sich bei Melanie Randall
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